„Wir haben die Fake-News erfunden“
Interview Damon Albarn Der Blur-Sänger (49) kehrt mit seiner virtuellen Allstar-Band Gorillaz zurück
Sechs Jahre ist das letzte Gorillaz-Album her. Fast schon wähnte man die virtuelle Band im digitalen Nirwana. Doch mit dem neuen Album „Humanz“hauchen Damon Albarn (sonst Sänger von Blur) und Comiczeichner Jamie Hewlett der Comicfiguren-Truppe wieder neues Leben ein. Als Gäste luden sie sich Rapper wie Vince Staples, Poplegenden (Grace Jones, Jean-Michel Jarre), Britpop-Überlebende (Noel Gallagher, Graham Coxon) und Schauspieler (Steve Martin, Ben Hendelsohn) ein. Die MOPO hat mich Albarn (49) gesprochen.
MOPO: Mr. Albarn, wieso hat es sechs Jahre gedauert? Damon Albarn:
Beim letzten Album „Plastic Beach“meditierte ich über Müllrecycling und Umweltverschmutzung, was nicht wirklich ein sexy Thema für Popmusik ist. Aber Jamies Art zu zeichnen hat Sexyness. Bei „Humanz“hat er es leichter.
Ganz offensichtlich: In dem 360Grad-Virtual-Reality-Video
zu „Saturnz Barz“ist Gorillaz-Bassist Murdoc erstmals splitternackt zu sehen! Ja, Murdoc ist nackt, und was er zu zeigen hat, ist wirklich beeindruckend. Vermutlich hat das Video deshalb den Rekord unter den VR-Videos gebrochen. Bedauerlicherweise blieb der Clip nur 20 Minuten unzensiert im Netz. Danach wurden seine prächtigen Genitalien unkenntlich gemacht.
Auch mit Ihrem ehemaligen Britpop-Widersacher Noel Gallagher machen Sie auf dem Album gemeinsame Sache.
Noel und ich kommen aus derselben Ära und haben mit unseren Bands ähnliche Erfahrungen gemacht. Da gibt es so viele Parallelen, dass sich eine Freundschaft geradezu aufdrängte.
Das Gorillaz-Debüt wurde von Noel Gallagher allerdings noch als Kindermusik abgetan.
So falsch lag er damit nicht. Denn ich wollte mit den Gorillaz-Platten immer meiner Tochter Missy imponieren. Sie ist jetzt 18 – und damit ein Jahr jünger als die Band. Sie hatte immer Mitspracherecht, wenn es darum geht, was cool ist und was nicht. Wenn ihr etwas gefällt, fühle ich mich jedenfalls merklich cooler.
Auf „Humanz“sind noch mehr Künstler unterschiedlichster Couleur involviert als bei jedem anderen Gorillaz-Album. Ist es wichtiger denn
Umtriebig: Damon Albarn (49) ist bei den Gorillaz, bei Blur und weiteren Projekten aktiv. je, ein multikulturelles abzugeben? Dafür gibt es eine Dringlichkeit. Es geht auf „Humanz“eigentlich um Beziehungen zwischen Männern und Frauen – vor dem Hintergrund, dass in der Zukunft ein Reality-TV-Star Präsider dent USA wird. Als wir Ende 2015 andaran fingen zu arbeikonnten ten, wir noch gar nicht wissen, dass Trump Präsident wird. Es hätte für uns aber auch keinen Unterschied gewenn macht, Trump es nicht geschafft hätte, denn in der Gorillazwäre Welt er sowieso Präsident geworden. Statement
Wie fühlen Sie sich, Trump als Präsident vorhergesehen zu haben?
Für mich war es nur ein Vehikel, den Gastmusikern eine Vorstellung davon zu geben, wie die Welt der Gorillaz diesmal aussieht. Ich sagte ihnen: „Stellt euch vor, wie es sich anfühlt, wenn Donald Trump die Wahl gewinnt.“
Bei den Gorillaz treffen Realität und Fiktion aufeinander. Ist die Vermischung von beidem nicht genau das Problem unserer Zeit?
Ich würde sogar behaupten, dass die Gorillaz mit ihrem Konzept weit ihrer Zeit voraus waren. Man kann irgendwelchen Bullshit erzählen, er wird vervielfältigt, und es besteht die Chance, dass er zur weltweiten News wird. Als wir 2001 das Debüt veröffentlichten, war es noch schwierig, Interviews mit den Figuren der Gorillaz in Zeitungen gedruckt zu bekommen. Heutzutage ist das kaum noch ein Problem. Wenn man so will, haben wir die „Fake News“erfunden.
Danke für die tolle Überschrift.
Gern geschehen. Vermutlich glauben die Menschen das jetzt tatsächlich. Das Interview führte KATJA SCHWEMMERS
Album: Gorillaz, „Humanz“, (Warner), VÖ heute