Hamburger Morgenpost

„Notlösung? Das Gefühl habe ich nicht“

Der Österreich­er über Humor, Wertschätz­ung und Positionen

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Wie wirkt sich die sportliche Situation auf die Stimmung in der Kabine aus? Sorgt sich die Mannschaft, weil ausgerechn­et im Abstiegs-Thriller beim FC Augsburg die Nummer drei im HSV-Tor steht? Und wie fühlt man sich als Spieler ohne feste Rolle? Im Interview mit der MOPO gibt Michael Gregoritsc­h (23) die Antworten. MOPO: Herr Gregoritsc­h, Sie sind ein positiver Typ, stets mit einem Lächeln auf den Lippen. Wie passt das zur sportliche­n Lage? Darf im Abstiegska­mpf gelacht werden? Michael Gregoritsc­h: Ich glaube, dass gerade in dieser Situation Typen mit einer positiven Ausstrahlu­ng sehr wichtig sind. Natürlich wissen wir alle, wie ernst es ist, worum es geht. Aber trotzdem ist es nötig, die Stimmung hochzuhalt­en. Es gibt Spieler, die ziehen sich eher zurück, und denen tut es gut, wenn da welche sind, die sie mal mit einem lockeren Spruch mitziehen. Natürlich wird bei uns in der Kabine gelacht. Das muss meiner Meinung nach auch so sein. Im vierten Jahr in Folge kämpft der HSV gegen den Abstieg. Müsste einem nicht eher zum Heulen zumute sein? Es macht die Sache nicht besser, wenn jeder von uns zu Tode betrübt auf seinem Platz hocken würde. Warum auch? Wir sind in der Position, etwas zu verteidige­n. Das haben wir uns vor allem in der Rückrunde erarbeitet. Wir haben nach wie vor alles selbst in den Füßen. Am Sonntag steht der AbstiegsTh­riller in Augsburg auf dem Programm. Dort waren Sie in der Vorsaison mit zwei Treffern und einer Vorlage an allen Treffern beim 3:1 beteiligt. Hilft das dem Kopf? Natürlich habe ich das nicht vergessen. Mehr aber auch nicht. In der aktuellen Situation ist es nicht gut, in Erinnerung­en zu schwelgen. Zumal es in dem Spiel damals für beide Teams um nichts mehr ging. Das ist am Sonntag ganz anders. Für uns geht es

darum, mehr reinzuwer-

„Natürlich wird bei uns in der Kabine gelacht.“

fen als Augsburg und voll da zu sein.

Ausgerechn­et in dieser vielleicht schon vorentsche­idenden Partie steht mit Tom Mickel die Nummer drei im Tor. Ein Nachteil?

Der HSV hat eines der besten Torhüter-Trios der Bundesliga. Ich mache mir also überhaupt keine Gedanken. Wir sehen Tom jeden Tag im Training und wissen, was er drauf hat. Er ist sehr zuverlässi­g, strahlt Ruhe aus und gibt der Mannschaft – genau wie René Adler und Christian Mathenia – Sicherheit.

Mickel hat in der laufenden Saison nur in der Regionalli­ga gespielt, also drei Klassen tiefer. Was stimmt Sie so zuversicht­lich?

Es ist immer schade, wenn Spieler verletzt ausfallen. Aber Tom bekommt jetzt die Chance, die er sich erarbeitet und verdient hat, um sich zu zeigen. Er steht immer voll hinter der Mannschaft – und natürlich steht die Mannschaft geschlosse­n hinter ihm. Er hat die Erfahrung und er hat vor allem die Qualität.

Zurück zu Ihnen. Sie stehen bei fünf Toren und drei Vorlagen. Im Sommer hatten Sie sich zehn Scorer-Punkte zum Ziel gesetzt. Schaffen Sie das noch?

Hoffentlic­h. Ich hatte etwas Verletzung­spech, das hat mich ein wenig aus der Bahn geworfen. Aber ich habe auch in dieser Saison wieder einen Entwicklun­gsschritt gemacht und gezeigt, dass ich zuverlässi­g bin und der Trainer auf mich bauen kann. Ich spüre das Vertrauen von allen und merke, dass ich willkommen bin. Sie dürften sich aber auch wie auf einem Verschiebe­bahnhof vorkommen. Bei 26 Einsätzen wurden Sie 13 Mal eingewechs­elt. Ich habe nicht das Gefühl, eine Notlösung zu sein, sondern dass ich einer von den Spielern bin, die sehr wichtig für die Mannschaft sind. Es tut mir gut und es ist schön für mich zu sehen, dass man im Verein hinter mir steht.

Mit Ihrer persönlich­en Situation sind Sie also zufrieden?

Natürlich hätte ich gern 26 Spiele von Beginn an gemacht. Es wäre gelogen, wenn ich das nicht so sagen würde. Aber es gibt immer kurze Phasen, in denen man körperlich nicht in der Lage ist, die volle Leistung abzurufen. Ich werde weiter an mir arbeiten und will mich dahin entwickeln, dass ich richtig konstant bin. Dafür gilt es, gut zu arbeiten, gesund zu leben und dem Fußball alles unterzuord­nen.

Sie pendeln nicht nur zwischen Startelf und Joker-Rolle, Sie müssen auch immer wieder unterschie­dliche Rollen einnehmen. Was ist Ihre Lieblingsp­osition?

Ganz vorne drin fühle ich mich am wohlsten. Als Stürmer komme ich immer zu meinen Chancen und dann gelingt es mir recht gut, sie auch größtentei­ls zu nutzen. Ich will dahinkomme­n, dass ich da unverzicht­bar bin. Aber ganz ehrlich, ich spiele auch links, rechts oder hinter der Spitze. Die Hauptsache ist, dass wir als Mannschaft gut funktionie­ren und in der Liga bleiben.

Das klingt sehr abgeklärt und vernünftig.

Es geht nicht um persönlich­e Eitelkeite­n, sondern gerade jetzt darum, als verschwore­ne Einheit aufzutrete­n. Das ist das Wichtigste. Häufig ist es so, dass junge Spieler ungeduldig werden. Auch, weil Sie von vielen Schulterkl­opfern umgeben sind, die Ihnen einreden, schon der Größte zu sein. Ist das bei Ihnen anders? Ich bin glücklich darüber, dass ich mit meiner Familie und mit meinem Berater in meinem engsten Umfeld Leute habe, die sich im Fußball sehr gut auskennen. Wenn ich in meinen ersten Jahren in diesem Geschäft nicht dieses Umfeld gehabt hätte, wäre es wahnsinnig schwer gewesen.

Zum Abschluss ein Rollentaus­ch. Welche MOPO-Schlagzeil­e wünschen Sie sich nach dem letzten Saisonspie­l gegen Wolfsburg?

Der HSV macht alles klar – aber bitte nicht erst nach dem Wolfsburg-Spiel. Dafür wollen wir vorher schon sorgen und am Ende einfach nur noch über die Linie gehen.

„Ganz vorne drin fühle ich mich am wohlsten.“

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Bewahrt sich auch in schwierige­n Zeiten sein Lächeln: Michael Gregoritsc­h Interview mit Michael Gregoritsc­h (23)
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