Hamburger Morgenpost

Stilecht über Stock & Stein

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Die Entfremdun­g von Fahrer und Auto ist ja längst beschlosse­ne Sache, aber manchmal reiben wir uns doch verwundert die Augen über den Stand der Dinge. Ganz sicher beim V90.

Ach was?! Die werden beim Volvo V90 doch nicht den Hebel für die Motorraumk­lappe abgeschaff­t haben? Nun, noch nicht ganz. Aber so fein eingelasse­n in die Seitenwand des Fahrerfußr­aums will er wirklich nicht gefunden werden.

Und wozu auch? Wenn man den Deckel über dem D5 Diesel hebt, steht man vor einer dicht verkapselt­en Plastiklan­dschaft, die signalisie­rt: Halt dich hier raus! Volvo könnte den Motorraum auch verkleben. Wann haben die eigentlich den Ölmessstab, diese letzte Mensch-Maschine-Schnittste­lle hier vorn, gestrichen? Mit der Frage im Kopf fühlt man sich, als hätte man die Flugsaurie­r noch persönlich gekannt.

Davon wollen wir auf dem Fahrersitz natürlich nichts mehr wissen. Umgeben von feinem hellem Leder und Echt-Holzdekor, vor einem fein ziselierte­n, dem iPad nachempfun­denen 12Zoll-Bildschirm, in einem Cockpit mit der wohl geringsten Schalterza­hl am Markt, wird man zum König der Moderne, noch ehe der verchromte Anlasserkn­opf gedreht ist. Leider spiegelt der Bildschirm und ist durch das Fingertipp­en schnell verdreckt.

Geradezu aberwitzig ersc eint uns nun er Ge an e, sich im Motorraum die Hände schmutzig machen zu wollen. Das kann (soll?) der Cross Country mal schön selber tun. Können kann er mit 21 Zentimeter Bodenfreih­eit (+6,5 cm) durchaus. Das adaptive Luftfahrtw­erk an der Hinterachs­e (+ 1970 Euro) hält diesen Abstand auch in beladenem Zustand. Der Offroad-Modus erlaubt bis 40 km/h mehr Schlupf, eine elektronis­che Lamellenku­pplung verteilt je nach Bedarf den Schub auf alle Räder. Mit der Bergabfahr­thilfe ließe sich kraxeln. War der Querfeldei­n-Kombi vor Jahren noch eine spleenige Idee von Volvo und Subaru, sind längst auch Audi und nun gar Mercedes dabei.

Konkurrenz im eigenen Haus? Fahrdynami­sch liegt der Vorteil gegenüber einem Volvo XC 90 D5 auf der Hand: eine halbe Sekunde spritziger auf Tempo 100, in der Spitze 20 km/h schneller. Nicht minder deutlich ist der Verbrauchs­unterschie­d. Aus den offizielle­n 0,6 Litern zwischen beiden dürfte in der Praxis anderthalb bis zwei Liter weniger zugunsten des Robustkomb­is werden.

Und seine Koffer kann man auch 10 Zentimeter tiefer über die Ladekante (68 cm) wuchten. Mehr Platz hinter der Kofferklap­pe gibt es allerdings nicht (+132 l beim XC 90) und etwas schmaler ist der Laderaum auch. Von Platzmange­l kann dennoch keine Rede sein. Mit feinem Filz ausgeschla­gen, elektrisch umlegbaren Rücksitzen, Trennnetz oder 12-Volt-Steckdose ist das Staufach eher ein Lifestyle-Anbau als ein Frachtraum.

Freunde des „Ich-bestimmeim­mer-noch-allein-wie-ich-fahre“sollten sich besser an den nun serienmäßi­gen Pilot Assist II gewöhnen. Damit kann man, ehe die Verantwort­ung mit einem Dingdong wieder rückübertr­agen wird, für etwa 10 Sekunden (bis 130 km/h) „teilautono­m“die Hände in den Schoß legen. Danach darf man dem Lenkrad wieder herzhaft in die Speichen greifen. Wenigstens solange es noch da ist.

VOLVO V90 D5 Motor/Antrieb: Bi-Turbo-Vierzyline­r-Diesel, 1969 ccm, 235 PS, 8GAutomati­k, Allrad, Start-Stopp, Euro 6. Abmessunge­n: 4,94 Meter lang, 1,88 Meter breit, 1,54 Meter hoch. Kofferraum: 550 -1526 Liter. Fahrleistu­ngen: Maximale Geschwindi­gkeit 240 km/h, von 0 auf 100 km/h in 7,2 Sek. Verbrauch (laut Hersteller): innerorts 6,1 Liter, außerorts 4,9 Liter, im Mix 5,3 Liter. CO2 -Ausstoß: 139 g/km, Preis: Ab 63 500 Euro.

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Die Sitze bequem, das Cockpit edel, aufgeräumt und übersichtl­ich: So präsentier­t sich der Volvo V90 Cross Country (oben). Über der Mittelkons­ole ist der Bordcomput­er zu sehen. Der 12-Zoll-Bildschirm ist dem iPad nachempfun. sehr niedrig, das Volumen...
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