„Als würde das eigene Kind ein 2. Mal sterben“
Bonn
– Heute soll im „Fall Niklas“das Urteil fallen. Es geht um alles. Nicht nur für Walid S. (21), der angeklagt ist, den 17-Jährigen in den Tod geprügelt zu haben. Sondern vor allem auch für Niklas’ Mutter. Denise Pöhler hat sich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen, lässt ihren Seelsorger für sich sprechen.
Dass auch der Staatsanwalt Freispruch für S. beantragte, habe Niklas’ Mutter völlig überrascht, richtete Pfarrer Wolfgang Picken aus. Nach mehr als drei Monaten Prozess, über 50 Zeugen und einigen Wendungen ist selbst der Ankläger unsicher, dass der polizeibekannte Schläger Niklas am 7. Mai attackierte. Neben S. kommt ein zweiter Mann (22) in Betracht. Besonders fassungslos machte Mutter Denise, dass der Tatort in Bad Godesberg erst fünf Stunden nach der Attacke abgesperrt worden war, womöglich wertvolle Spuren wie etwa Täter-DNA Bei der Beerdigung: Mutter Denise Pöhler und Pfarrer Wolfgang Picken
verloren gingen.
Auch in der regionalen Politik sorgte Niklas’ Tod für Wirbel. Der dortige CDUChef Christoph Jansen und der Fraktionschef der Bezirksvertretung, Philipp Lerch, sind „ernüchtert“von der Entwicklung des Prozesses: „Dass auch die Staatsanwaltschaft auf Freispruch plädiert, ist bitter. Wir bedauern insbesondere die mangelhafte Spurensicherung vor Ort.“
Für Niklas’ Mutter sei die Vorstellung, dass der Täter nicht bestraft wird, zermürbend und erschüttere ihr Verständnis von Gerechtigkeit, betonte Pfarrer Picken. „Mit bewundernswerter Tapferkeit und Kraft geht sie ihren Weg.“Der sie an jedem Prozesstag ins Gericht führte. Stunde um Stunde hörte Pöhler sich Zeugenaussagen an, weinte mit Freunden, die in der Schicksalsnacht bei Niklas waren, ärgerte sich über Zeugen, die offenkundig logen. „Wenn das Interesse an der Wahrheit und der Aufklärung so rücksichtslos in den Hintergrund tritt, ist es ein wenig so, als würde das eigene Kind ein zweites Mal sterben“, erklärte Picken im Namen der Mutter. Denise Pöhler sagte einmal am Rande des Prozesses: „Ich kenne die scheußlichen Details aus der Akte. Davor braucht mich keiner zu schützen. Doch ich will dabei sein, wenn die Wahrheit aufgearbeitet wird.“Heute steht ihr aller Voraussicht nach eine bittere Wahrheit bevor: dass der Tod ihres Sohnes vielleicht nie gesühnt wird.