DER VORWURF IM AUGE DER MEISE
Können Vögel vorwurfsvoll gucken? Nee. Anderseits: Wie soll man es deuten, wenn die Meisen immer wieder im Busch mit den Meisenknödeln landen, die letzten Krümel aus den leeren Netzen prökeln – und fortan auf den Ästen hocken und die Stelle hypnotisieren, an der noch vor wenigen Tagen die Fettbällchen hingen? Ich sah jedenfalls einen Vorwurf im Meisenauge und kaufte Nachschub. Offenbar bin ich nicht die Einzige, die sich von den gefiederten Knödelvernichtern manipulieren lässt. Sonst gäbe es so etwas wie „Sommer-Meisenknödel“nicht. Mit Insekten. Lasst es euch schmecken.
Es gibt viele Bäume im Garten von Susanne Nack. Auffällig ist, dass die Täter es immer auf die beiden 20 Meter hohen und 50 Jahre alten Bergahorne abgesehen haben, um die es seit Monaten eine heftige Auseinandersetzung mit einer Baufirma gibt. Auf dem angrenzenden Grundstück Hofweg 55 will das Unternehmen nämlich ein achtstöckiges Haus mit Luxuswohnungen errichten. Auch eine Tiefgarage gehört dazu, die direkt bis an das Grundstück von Susanne Nack heranreichen soll – dazu allerdings müssen die beiden Bäume weg, die sich unmittelbar an der Grundstücksgrenze befinden.
Die Baufirma hat schon einiges unternommen, um von Susanne Nack die Zustimmung zur Abholzung zu bekommen. Sie bot ihr sogar an, den 350 Quadratmeter großen Grundstücksstreifen für 200000 Euro zu kaufen. Doch Susanne Nack lehnte ab. „Die Aussicht, dass künftig Lüftungstürme und Abgasentlüftungsschächte dort stehen, wo es bisher grünte“, sagt sie, „ist mir ein Graus. Dafür lohnt es sich nicht, zwei große Sauerstoff spendende Bäume zu opfern!“
Im Februar begannen dann die ungebetenen nächtlichen Besuche der Baumfrevler, die offenbar die Absicht haben, vollendete Tatsachen zu schaffen. Der Baufirma passt das ganz gut in den Kram. Das Unternehmen hat Klage eingereicht, will Susanne Nack jetzt gerichtlich zwingen, die Bäume abzuholzen. Die Argumentation: Jetzt, da die Bäume von „Unbekannten“ angesägt worden seien, sei ihre Standsicherheit noch viel fragwürdiger als zuvor. Es bestehe „akuter Handlungsbedarf “.
Die MOPO hat mehrfach versucht, von der Baufirma eine Stellungnahme zu bekommen. Ohne Erfolg. Auch ihr Anwalt war nicht zu sprechen und meldete sich auch nicht zurück.
Und Susanne Nack? Die gibt sich nicht geschlagen, kämpft weiter. Ein von ihr in Auftrag gegebenes Baumgutachten kommt übrigens zu dem Ergebnis, dass die beiden Bäume sehr wohl standsicher sind und sie trotz der Schäden noch gerettet werden können.
„Ich opfere nicht zwei große, Sauerstoff spendende Bäume.“Hausbesitzerin Susanne Nack