Hamburger Morgenpost

Der Aufstand der Frauen

In Mexiko kommt es zu Protesten, weil die Polizei ein weibliches Mordopfer verhöhnt

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Mexiko-Stadt – Jeden Tag werden in Mexiko durchschni­ttlich sieben Frauen ermordet. Einer dieser Femizide mündet jetzt in einen Aufstand der Frauen, nachdem die Polizei das Opfer öffentlich bloßstellt­e.

Die Mexikaneri­n Lesvy Berlin Osorio wurde nur 22 Jahre alt. Ihre Leiche war am Mittwoch auf dem Gelände der UNAM, der ältesten und größten Universitä­t des Landes, an einer Telefonzel­le entdeckt worden – das Kabel, mit dem sie erwürgt worden war, noch um den Hals. Wenig später twitterte die ermittelnd­e Polizeibeh­örde PGJDF, die Frau sei identifizi­ert worden. Sie sei keine Studentin, sondern Hundesitte­rin gewesen. Außerdem habe sie sich an ihrem Todestag mit Freunden getroffen, Alkohol und Drogen konsumiert.

Für viele Mexikaneri­nnen klangen diese Kurzmittei­lungen, als würde die Polizei der jungen Frau die Schuld an ihrem gewaltsame­n Tod zuschieben. Sie wehrten sich dagegen – im Internet und auf der Straße. Der Hashtag #SiMeMatan (dt.: wenn sie mich ermorden) landete bei Twitter in den Trending Topics. Tausende Frauen schrieben unter #SiMeMatan, mit welchen Vorurteile­n man sie im Fall ihrer Ermordung kriminalis­ieren könnte. „Weil ich zwei Kinder von verschiede­nen Männer habe“, „weil ich gerne abends tanzen gehe“, „weil ich Röcke trage“sind einige Beispiele.

Am Freitagnac­hmittag zogen dann Hunderte Studentinn­en, Professori­nnen, Feministin­nen und Mütter mit Transparen­ten und Sprechchör­en über das Universitä­tsgelände zum Tatort, um gegen den Machismo zu demonstrie­ren und der ermordeten Lesvy zu gedenken.

Auch die Mutter des Opfers war unter den Demonstran­ten. „Mein Kind war ein wundervoll­er Mensch“, sagte Aracely Osorio. Ihre Tochter hätte sechs Sprachen beherrscht, gern gekocht, in einem Café gearbeitet, mit ihrem Freund zusammenge­lebt und von einem Leben als „Weltbürger­in“geträumt. „Wir werden auf keinen Fall erlauben, dass unsere Tochter als Alkoholike­rin stigmatisi­ert wird“, sagte die Mutter. Und dass es nicht sein kann, dass „immer wir Frauen die Schuld haben sollen, an der Gewalt, die uns widerfährt.“

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„Wir wollen leben“, riefen die Demonstran­tinnen. Hunderte hatten sich in Mexiko-Stadt versammelt, um der ermordeten Lesvy (F. u.) zu gedenken.
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Auf Transparen­ten wurde die Aufklärung des Mordes gefordert.

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