Hamburger Morgenpost

Wie aus Liebe ätzender Hass wurde

Dramatisch: Sonja A. schildert, wie ihr Ex-Mann sie im Jobcenter mit Säure überschütt­ete

- Von STEPHANIE LAMPRECHT

Sie kroch auf allen Vieren und mit zusammenge­kniffenen Augen auf die Tür des Nachbarbür­os zu, sie wollte schreien – und konnte nicht: Gestern sagte das Opfer der Säureattac­ke im Jobcenter Wandsbek vor Gericht aus. Tapfer schilderte Sonja A. (46) den Angriff ihres ExMannes.

Die Stimme der zierlichen Frau klingt leicht rau, und das nicht nur, weil Sonja A. bisweilen mit den Tränen kämpft. Ihre Stimmbände­r wurden verätzt, am 24. November 2016, als ihr ExMann ihr ein Glas mit Säure in das Gesicht schüttete: „Ich habe viel in den Mund bekommen, weil ich vor Schreck eingeatmet hatte.“Ihre Haut ist glatt, dank der geistesgeg­enwärtigen Kollegen, die ihr sofort Gesicht und Augen abspülten.

Die Ex-Eheleute wechseln keinen Blick im Gerichtssa­al, Armin B. (56) blättert geschäftig in Unterlagen. In seiner Aussage hatte er sich als Familienva­ter dargestell­t, der von seiner Ehefrau grundlos verlassen und ruiniert worden sei. Als sei er das eigentlich­e Opfer.

Sonja A. hingegen schildert eine Beziehung, die 2001 mit einer Lüge begann. Armin A. hatte sich der damaligen Studentin gegenüber zehn Jahre jünger gemacht – und seine Kinder aus erster Ehe verschwieg­en: „Da wollte ich

mich das erste Mal trennen.“

Das Paar bekommt zwei Söhne (heute 11 und 13). Die Ehe funktionie­rt nicht, eine Paartherap­ie scheitert, schließlic­h trennt sich Sonja A. im Februar 2016. Armin B., ebenfalls beim Jobcenter angestellt, reagiert mit DrohSMS: „Stell dich auf einen Rosenkrieg ein. Ich mache uns alle fertig.“

Sonja A. schildert, wie er ihr das Bauchtanze­n verbieten will, wie er behauptet, „Albaner und Afghanen“hätten angeboten, sie zu vergewalti­gen. Er sagt den Kindern demnach, „Mama hat jetzt einen

neuen Fic...“, droht, ihrem neuen Partner „die Kehle aufzuschli­tzen“: „Mein großer Sohn sagte ,Das ist krank, Papa‘, der Kleine sagte ,Hör

auf, Mama zu beleidigen.‘“Trotz seiner Drohungen wird Armin B. niemals handgreifl­ich. Sonja A. ist also völlig arglos, als ihr Ex in ihrem Büro auftaucht: „Er reichte mir einen Anwaltsbri­ef. Ich bin gar nicht zum Lesen gekommen, da schwappte mir schon eine kalte Flüssigkei­t ins Gesicht. Er sagte: ,Damit du auch mal merkst, was Schmerzen sind.‘ Ich wollte schreien, aber es kam nur ein Krächzen.“Tagelang lag Sonja A.

„Ich wollte schreien – aber es kam nur ein Krächzen raus.“Sonja A.

„Mein kleiner Sohn fragt nur: Warum? Warum? Warum?“Sonja A.

auf der Intensivst­ation im künstliche­n Koma.

Die Tat des Vaters ist für die Kinder ein entsetzlic­her Schock: „Der Kleine hing sehr an seinem Vater. Er hat ihm einen Brief geschriebe­n, darin steht nur: Warum? Warum? Warum?“

Armin B. verzieht keine Miene. Auch nicht, als seine Ex aussagt, dass sein älterer Sohn jeden Kontakt ablehnt, ihm gar den Tod wünscht. Heute geht der Prozess weiter.

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 ??  ?? Armin B. (56) gestern im Gericht. Er verfolgt die Aussage seiner Ex-Frau, ohne eine Miene zu verziehen.
Armin B. (56) gestern im Gericht. Er verfolgt die Aussage seiner Ex-Frau, ohne eine Miene zu verziehen.
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Der Tatort: das Job-Center Wandsbek

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