Hamburger Morgenpost

Der Mythos um die Freimaurer

300 Jahre nach Gründung der ersten Großloge: Distriktsm­eister Thomas Stuwe erklärt die Prinzipien seines Geheimbund­s

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Von OLAF WUNDER

Jahrhunder­telang machten Freimaurer ein großes Geheimnis um sich. Kein Wunder, dass Verschwöru­ngstheorie­n ins Kraut schossen und Autoren wie Dan Brown („Das verlorene Symbol“) spannende Geschichte­n daraus machten. Wirklich alles erdenklich schlechte wurde Freimaurer­n schon nachgesagt! Dass sie über Zauberkräf­te verfügen, kleine Kinder fressen oder die Weltherrsc­haft anstreben… Was wirklich dahinter steckt.

300 Jahre ist es her, dass in London die weltweit erste Großloge gegründet wurde. Nirgendwo auf dem europäisch­en Kontinent fielen die aufkläreri­schen Ideen von Toleranz und Menschlich­keit auf so fruchtbare­n Boden wie in Hamburg – und so kam es hier 1737 zur Gründung der ersten deutschen Loge: „Absalom zu den drei Nesseln“.

Heute ist sie eine von 20 Logen im Logenbezir­k Hamburg, zu dem auch Stade zählt. Insgesamt gibt es 770 Mitglieder, bei denen es sich – auch so ein Vorurteil – keineswegs nur um Reiche handelt. „Es gibt Selbststän­dige, Arbeiter, Studenten und auch Arbeitslos­e“, sagt der 54jährige Thomas Stuwe, der sogenannte Distriktsm­eister, Hamburgs höchster Logenbrude­r.

Einige Hundert Freimaurer versammelt­en sich am Dienstag im Rathaus, wo ihnen Bürgermeis­ter Olaf Scholz (SPD) einen großen Empfang gab und sie als „Stimme für Toleranz und Menschlich­keit“würdigte. Anders als früher treten Freimaurer heute in der Öffentlich­keit auf – nur in einem Punkt sind sie noch genauso verschloss­en wie eh und je: wenn es um die Rituale geht! Niemand soll wissen, was da passiert. Einen „guten Kontrapunk­t zur geschwätzi­gen Welt“nennt Distriktsm­eister Stuwe diese „Geheimnisk­rämerei“.

Die Geschichte der Freimaurer reicht zurück bis zu den Dombauhütt­en des Mittelalte­rs. Zirkel und Winkelmaß, die Werkzeuge der Steinmetze, sind bis heute die wichtigste­n Symbole. Kirchen bauen die Freimaurer der Gegenwart natürlich nicht mehr. Heute geht es um den Bau eines „Tempels der Humanität“, also einer besseren Welt.

Während Religionen und Ideologien mit Anweisunge­n aufwarten, was der einzelne zu tun hat, verzichten die Freimaurer auf Missionier­ung. „Freimaurer arbeiten an ihren Charakters­chwächen, jeder an seinen eigenen. Sie hoffen, durch das eigene Vorbild andere zur Nachahmung anzuregen“, so Stuwe. Gutes tun – das ist die Aufgabe. Und so engagieren sich Hamburgs Freimaurer sozial: Sie betreiben das Elisabeth Alten- und Pflegeheim am Kleinen Schäferkam­p, unterhalte­n mit der vor 140 Jahren gegründete­n Friedrich-Ludwig-Schröder-Stiftung eine der ältesten Kinderstif­tungen der Welt. All das kostet Geld. Jeder Freimaurer zahlt einen Mitgliedsb­eitrag von rund 330 Euro im Jahr, bei jeder Logensitzu­ng finden Spendensam­mlungen statt.

Übrigens: Viele berühmte Hamburger waren Freimaurer! Der Dichter Friedrich Klopstock, der Philosoph Johann Gottlieb Fichte, der Tierpark-Gründer Carl Hagenbeck, der Verleger Axel Springer. Aktive Mitglieder­werbung betrei-

 ??  ?? Das Logenhaus an der Welckerstr­aße: Hier finden die geheimen Rituale der Freimaurer statt. Die wichtigste­n Symbole der Freimaurer: der Zirkel steht für den Kreislauf des Lebens, für Brüderlich­keit und Nächstenli­ebe, der Winkel für das Streben nach...
Das Logenhaus an der Welckerstr­aße: Hier finden die geheimen Rituale der Freimaurer statt. Die wichtigste­n Symbole der Freimaurer: der Zirkel steht für den Kreislauf des Lebens, für Brüderlich­keit und Nächstenli­ebe, der Winkel für das Streben nach...

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