Symphatischer Klavier-Querkopf
Yul Anderson ist ein Piano-Genie – aber möchte kein Star sein
Die Sonne scheint ausnahmsweise mal, über der Ottenser Hauptstraße. Inmitten der Blumenstände steht ein Klavier. „Das ist etwa hundert Jahre alt“, sagt der Mann, der auf einem Hocker an den Tasten Platz nimmt und plötzlich beginnt, direkt in der Fußgängerzone wunderschöne Melodien zu spielen. Die Leute bleiben stehen, staunen.
Der Mann mit dem bunten Schal und dem Cord-Jackett ist US-Pianist Yul Anderson (58). Er ist auf seine Weise ein Star, kennt Mick Jagger („Er ist der Typ, der 680 Euro für Tickets verlangen würde, weißt du?“) und kannte auch Prince („Ich war auf der Party, die er veranstaltete, als er die Rechte an seinem Namen zurückbekam“). Aber im Gegenteil zu den Kollegen weigerte sich Yul Anderson immer, einen Plattenvertrag abzuschließen. „Die Alternative war, von Stadt zu Stadt zu reisen und einfach meine Musik für mich sprechen zu lassen – und das mache ich!“
Natürlich spielt er nicht nur auf der Straße – heute und morgen wird er etwa in der edlen Laeiszhalle zu hören sein. Aber für seine spontanen Open-Air-Sessions ist der Mann aus Kalifornien bekannt.
„Das hier sind die wichtigen Leute, die hart arbeitenden Leute“, sagt er und deutet auf die Passanten. „Die haben vielleicht keine Zeit, abends in mein Konzert zu kommen. Aber ich kann sie für ein paar Minuten aus ihrem Alltag rausreißen.“
Der Pianist, der sich sein Handwerk selbst beibrachte, spielt am liebsten Blues. „Louis Armstrong, Muddy Waters!“, schwärmt er. Aber auch Klassik begeistert ihn: „Ich bin ein großer Fan von Mozart und Beethoven, Debussy und Ravel.“Und auch Hamburg-Fan ist Anderson: „Ein Alsterwasser und eine Currywurst – perfekt!“