So dachte Schmidt über die Wehrmacht
Wie der Altkanzler seinen Dienst unter den Nazis sah:
Junge Männer in WehrmachtsUniform: In Tausenden Haushalten hängen diese Bilder von Vätern und Großvätern. Sie gehören zur Geschichte dieses Landes wie Helmut Schmidts Soldatenfoto. Ausgerechnet die Helmut-Schmidt-Uni verbietet dieses Foto jetzt. Löst das ein Problem? Nein. Eher entsteht der Eindruck einer kopflosen Säuberung. Schmidt war vor 1945 weder Held noch Widerstandskämpfer. Danach aber hat er die Nazi-Ideologie entschlossen bekämpft und das Land geprägt. Vor allem der „Scheißkrieg“hat ihn gelehrt, was der Wert einer Demokratie ist. Hängt sein Bild wieder auf und verseht es mit einer entsprechenden Kommentierung – dann ist es eine Mahnung, wie schnell normale Männer für eine totalitäre Ideologie in den Krieg ziehen.
MATHIS NEUBURGER
mathis.neuburger@mopo.de Von OLAF WUNDER
Schneidig sieht er aus: Helmut Schmidt in Luftwaffenuniform. Die Kopfbedeckung sitzt leicht schief auf dem Kopf – so pflegten Draufgänger das Schiffchen zu tragen. Und auf der Brust prangt der Adler, der sich festkrallt an einem Hakenkreuz. Das Foto aus dem Jahr 1940, das den späteren Bundeskanzler als Leutnant in Hitlers Wehrmacht zeigt, ist zum Politikum geworden.
Die Frage, über die heftig gestritten wird, lautet: Darf ein solches Bild in einem Gebäude der Bundeswehr hängen, oder nicht? Vermutlich schon jahrelang schmückte das Foto eine Wand in der nach Schmidt benannten Hamburger Bundeswehr-Universität – und daran hätte sich wahrscheinlich auch nichts geändert, wenn die Bundeswehr nicht wegen rechtsextremistischer Offiziere ins Gerede gekommen wäre. Derzeit werden alle Standorte nach Nazi-Devotionalien abgesucht. Von dieser Säuberung war schließlich auch das Schmidt-Foto betroffen.
Mit dem Abhängen des Bildes wird einmal mehr die Frage aufgeworfen, welche Schuld unsere Großväter und Urgroßväter eigentlich auf sich luden, als sie für Hitler in den Krieg zogen. Diese Frage hat auch Helmut Schmidt zeitlebens umgetrieben.
Seinen Standpunkt hat er 1997 in einem Schreiben an den damaligen Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) skizziert: Eine Kollektivschuld gebe es nicht, schreibt Schmidt da. Es habe unter den fünf Millionen Soldaten der Wehrmacht zwar Verbrecher gegeben, „aber ebenso gab es eine Mehrheit persönlich schuldloser Soldaten.“Und weiter: „Kein Deutscher ist allein deswegen mit Schuld beladen, weil er zur Zeit Hitlers gelebt, gearbeitet oder gedient hat. Millionen Deutsche sind ohne persönliche Schuld in Hitlers Angriffskrieg verstrickt worden.“
Und er selbst? Was war eigentlich Schmidts Rolle während des Krieges? Immer mal wieder wurden Vorwürfe laut: Gleich nach dem Krieg behauptete seine Deutschlehrerin öffentlich, Schmidt sei ein erklärter Gegner der Widerstandsgruppe „Weiße Rose“gewesen, in der sie selbst Mitglied war. In den 70er Jahren rückte der damalige CSU-Chef Franz Josef Strauß Schmidt in die Nähe des Nazi-Regimes. Und 1981 warf ihm der israelische Ministerpräsident Menachem Begin sogar eine Beteiligung am Holocaust vor: Damals wurde bekannt, dass Schmidt als Beobachter an den Schauprozessen gegen die Attentäter des 20. Juli vor dem Volksgerichtshof teilgenommen hatte.
Schmidt hat von sich selbst zuletzt immer behauptet, die Nationalsozialisten schon früh als Verbrecher erkannt zu haben. Auf Anschuldigungen, er selbst sei von der Nazi-Ideologie infiziert gewesen, antwortete er: Wie hätte Montag, 15. Mai 2017 aus ihm, dessen Großvater doch Jude war, ein Nazi werden können?
Wahr ist allerdings auch, dass Schmidt von seinem jüdischen Großvater erst erfuhr, als er bei seinen Eltern darum bettelte, der Hitlerjugend beitreten zu dürfen. Es gibt einen Brief Schmidts aus dem Jahr 1979, in dem er einem Parteifreund gesteht, in den ersten Jahren der NSDiktatur „unter den Einfluss der braunen Machthaber geraten“zu sein.
Schmidt machte als Soldat Karriere: Direkt von der Schule weg leistete er ab 1937 seinen Wehrdienst ab und bemühte sich nach Kriegsausbruch darum, an die Front zu kommen. 1941 war er bei der Belagerung Leningrads (heute St. Petersburg) dabei. Die deutschen Truppen hungerten die Stadt regelrecht aus – eine Million Menschen starben.
Weil sich Schmidts Organisationstalent herumge- Mitten im Krieg, im Juni 1942, heiraten Helmut und Loki Schmidt.