Im Himmelläuft jetzt „Black Hole Sun“
Wenn Chris Cornell schrie, lang und länger, dann schraubte sich seine Stimme in atemberaubende Höhen. Animalisch klang das. Und so druckvoll und klar, dass man vor den Boxen saß und fürchten musste, Feuer zu fangen. Und wenn er traurig war und verliebt, dann war sein Gesang eine KaschmirDecke, die einem die Seele wärmte. Jetzt ist die Grunge-Legende tot, und für manch einen der Generation Nirvana ist das so, als fehle fortan ein Stück aus der eigenen Vergangenheit.
Chris Cornell ist schuld, dass ich auf vielen Klassenfotos Anfang der 90er ulkig aussehe. Holzfällerhemd, abgeschnittene Army-Hose, lange Zotteln, Doc Martens. Pünktlich zur Hochphase der Pubertät war der Soundtrack meiner Kindheit (Pet Shop
Boys) weggespült worden von einer Flut von Rock-Alben, die alle Meilensteine werden sollten.
Nirvana, Alice In Chains, Pearl Jam, Screaming Trees – alles wütende Männer aus Seattle, der einst verschlafenen Stadt im Nordwesten der USA. Viele mit einer Schwäche für den Rock-Sound der 70er. Viele mit einer Schwäche für Heroin.
Und natürlich Soundgarden. Die Gitarren tief gestimmt. Die Laune verheerend. Black
Sabbath steckte drin. Metal und Led Zeppelin. Viel Groove. Viel Wucht. Viel Wut. Ich war schockverliebt. „Badmotorfinger“hieß das Album. „Jesus Christ Pose“und „Outshined“hießen die Songs, die ein TeenagerLeben auf den Kopf stellen konnten. Cornell hatte sehr lange schwarze Haare, was die Frauen freute. Seine Stimme aber, die gab einem geschlechterübergreifend den Rest, wenn man ein Herz für ruppige laute Gitarren hatte.
Mit dem Album „Superunknown“perfektionierten Soundgarden sich: „Black Hole Sun“und „Spoonman“. Kompaktere Songs, leise Momente, Riesen-Hits. Der Rockstar-Himmel. Man könnte denken, danach konnte es nur bergab gehen. Das trifft es vielleicht nicht ganz. Es kam noch ein Album. Es kam die Band-Auflösung. Und eine Solo-Karriere. Es kam ein seltsames Kapitel mit den Instrumentalisten von Rage Against The Machine. Audioslave nannte sich das und da gab sich Cornell, dieser düster-dunkle Rock-Jesus, als extrovertierte Rampensau. Das war sehr erfolgreich, aber irgendwie irritierend. Es gab einen JamesBond-Song. Und die Soundgarden-Wiedervereinigung.
Die Heroin-Hölle von Seattle hat Cornell überlebt. Es könnte sein, dass das für seine Depressionen nicht galt: Die Autopsie ergab, dass er sich in einem Hotelzimmer in Detroit das Leben genommen hat. Nach einem Auftritt mit Soundgarden. Es ist eine Schande, es ist todtraurig. Und ein guter Grund, sehr laut „Fell On Black Days“zu hören.