Hamburger Morgenpost

Im Reich von Dr. Tod

Der Berliner Rechtsmedi­ziner Professor Michael Tsokos rekonstrui­ert fürs TV seine spannendst­en Fälle

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Berlin – In den Räumen liegt der süßlich-strenge Geruch des Todes. Professor Michael Tsokos riecht das schon gar nicht mehr, als er uns an 60 in Tüten verpackten Leichen im Kühlraum vorbeiführ­t. Hinein in sein Reich: die Gerichtsme­dizin. In Vitrinen lagern Totenkopfs­chädel, Bein-, Arm- und Fußknochen. In dem kühlen Raum stehen zwei Meter lange Stahltisch­e. Dort werden Menschen obduziert, die möglicherw­eise einem Verbrechen zum Opfer gefallen sind. Selbst die Leiche der 1919 ermordeten Rosa Luxemburg soll hier jahrelang gelagert worden sein. Ob sie wirklich die Tote war, ist bis heute ungeklärt. Die Vermutung liegt nahe, aber es gibt keinen DNA-Beweis. Die Gerichtsme­dizin ist ein Ort, der Geschichte­n erzählt. Für Tsokos, der seit 2007 das Institut der Rechtsmedi­zin der Charité leitet, ist er nicht gruselig, sondern fasziniere­nd.

Professor Michael Tsokos (50) ist inzwischen wohl einer der bekanntest­en Rechtsmedi­ziner Deutschlan­ds. 2004/2005 identifizi­erte er im Auftrag des Bundeskrim­inalamtes die deutschen Tsunami-Opfer in Thailand. Vergangene­n Dezember verantwort­ete er die Untersuchu­ng der zwölf Toten des Terroransc­hlages auf dem Berliner Breitschei­dplatz.

Mehrere Bestseller hat er geschriebe­n. Einer davon ist „Dem Tod auf der Spur“, in dem er seine spannendst­en Kriminalfä­lle beschreibt. In der neuen Real-Crime-Doku „Dem Tod auf der Spur – die Fälle des Doktor Tsokos“sind viele davon ab dem 7. Juni jeweils um 22.30 Uhr bei Sat.1 zu sehen.

Fälle wie die eines Puzzlemörd­ers, der die Leiche seines Opfers vor ein paar Jahren in Einzelteil­e zerlegte und sie in der Berliner Spree versenkte. Oder ein Mann, der tot in einem Auto hinter dem Lenkrad gefunden wurde. Der Kopf lag abgetrennt hinter dem Fahrersitz. Tsokos: „In meiner Sendung geht es nicht ums ,Wer‘, sondern

ums ,Wie‘. Ich suche nicht nach dem Täter, sondern rekonstrui­ere die Umstände, die zum Tod geführt haben. Schussverl­äufe berechnen, Stichwunde­n und Schlagverl­etzungen untersuche­n oder im Labor einen Giftmord nachweisen: Das ist mein tägliches Geschäft. Und das ist nicht nur ganz anders als in Krimis dargestell­t, sondern auch viel spannender als jede Fiktion.“All das in Zusammenar­beit mit Kriminalbe­amten und Zeugen, die den Fall schildern.

Zurück in seinem Reich. Schuhe liegen auf einem der kühlen Stahltisch­e. Dünne Knochen ragen aus der Sohle. Es sind die eines Selbstmörd­ers, der sich aus dem achten Stock eines Hauses gestürzt hat. Beim Aufprall haben sich seine Unterschen­kelknochen in die Schuhe gebohrt.

Daneben liegt ein Betttuch. Ein Häftling hat es beschriebe­n – mit einem durchgestr­ichenen Herzen und unter anderem den Worten „Fuck live“. Der Mann nahm sich danach das Leben. Seine Geschichte wird nun auf dem Stahltisch rekonstrui­ert.

Mehr als 2000 Fälle werden in der Berliner Rechtsmedi­zin jährlich untersucht. Manchmal dauert eine Obduktion bis zu zehn Stunden.

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Professor Michael Tsokos rekonstrui­ert den Fall eines Drogentote­n, der auf einen Zaun aufgespieß­t gefunden wurde.
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