Hamburger Morgenpost

Eine (fast) neue Zeitung für Hamburg

Die Serie „Zarah“spielt in einer Redaktion der 70er Jahre Das ZDF traut sich damit ein Projekt gegen den TV-Trend

- Von WIEBKE TOMESCHEIT

Der Teppich ist fingerdick, die Möbel extravagan­t – und die Outfits erst! Beim Besuch der Dreharbeit­en zu „Zarah“, einer neuen Serie des ZDF, wird man direkt in die 70er zurückvers­etzt. Kein Wunder: Fast alle Kostüme und Kulissen stammen original aus der Zeit. Eine so aufwendige Serienprod­uktion gab es im deutschen Fernsehen lange nicht mehr.

„Wir wollten über das 70er-Klischee mit den Prilblumen hinausgehe­n“, sagt Regisseur Richard Huber (58). „Kern der Serie ist die Geschichte einer Frau, Zarah, die mit einem Anliegen in eine Zeit kommt, in der sie sich behaupten muss. Vieles war damals schwierige­r. Aber ich glaube, man konnte als Individuum mehr ausrichten – und im Gegensatz zur heutigen Zeit hatte man das Recht auf Irrtum.“

Das Anliegen der namensgebe­nden Zarah ist, sich als Frau ihren Platz im Leben zu erkämpfen. In einer Zeit, in der weibliche Mitarbeite­r meist nur dekorative Sekretärin­nen waren, will sie zur Chefredakt­eurin von „Relevant“aufsteigen. Allerdings verliebt sie sich ausgerechn­et in die Tochter des Verlegers, Jenny Olsen. Und die männlichen Kollegen sind nicht gerade – reformwill­ig.

„An der Serie fasziniert hat mich die Thematik: Meine Figur ist Frauenrech­tlerin, eine Visionärin ihrer Zeit. Sie ist eine Frau, die sich für die Freiheit der Frauen einsetzt. Damit kann ich mich total verbinden“, erklärt Hauptdarst­ellerin Claudia Eisinger (32). Das Thema hält sie nach wie vor für aktuell: „Wir leben immer noch in Zeiten, wo Frauen nur vermeintli­ch emanzipier­t sind. Ich selber spüre das an allen Ecken und Enden – es gibt noch viele alte Strukturen.

„Für mich ist Zarah aber eine Figur, die man in jede Zeit setzen könnte und sie würde im Kern für die gleichen Sachen kämpfen. Sie hat ein UrGerechti­gkeitsund Wahrheitse­mpfinden“, sagt Eisinger. Sie würde sich wünschen, dass man durch die Retro-Serie auch auf Missstände in der heutigen Zeit aufmerksam wird.

Die Dreharbeit­en fanden unter anderem im ehemaligen Commerzban­k-Gebäude am Neß in der Altstadt statt. Dort wurden in Schaukäste­n an der Außenmauer sogar liebevoll gestaltete, „fast echte“Titelblätt­er des Serien-Magazins „Relevant“angebracht. Neben dem schicken Büro des Chefredakt­eurs findet sich hier eine fast komplette Zeitungsre­daktion mit Schreibmas­chinen, Fotolabor und Agenturtic­kern. Und: Aschenbech­ern. Damals durfte ja noch überall geraucht werden. „Keinen mitnehmen!“, lacht Regisseur Huber, der selbst eine Affinität zum Journalism­us hat. „Ich habe selber erste journalist­ische Versuche unternomme­n. Ich habe in den 90ern für das ARD-Studio in Paris gearbeitet.“Er hat sichtlich Spaß an der Arbeit – auch wenn es nicht ganz einfach sei, bei dem großen Ensemble den Überblick zu behalten.

Neue Serien haben es im deutschen Fernsehen nicht leicht – die Produktion ist teuer, niemand kann vorab den Erfolg vorhersage­n. Viele Sender wagen deshalb aktuell nur Mini-Serien mit drei oder vier Episoden. Das kommt billiger, die Zuschauer haben aber kaum die Chance, wirklich in die Geschichte einzutauch­en und sich mit den Figuren anzufreund­en.

Mit „Zarah“traut sich das ZDF nun wieder eine „richtige“Serie mit vorerst sechs Folgen. Regisseur Richard Huber hofft aber auf eine zweite Staffel – er hat sich schon in Charaktere und Kulisse verliebt.

„Zarah“: Die Serie wird voraussich­tlich ab Herbst im ZDF ausgestrah­lt

 ??  ?? Verlegerto­chter Jenny Olsen (Svenja Jung), die selbstbewu­sste Journalist­in Zarah Wolf (Claudia Eisinger) und Torsten Liebrecht als Chefredakt­eur Kreckow
Verlegerto­chter Jenny Olsen (Svenja Jung), die selbstbewu­sste Journalist­in Zarah Wolf (Claudia Eisinger) und Torsten Liebrecht als Chefredakt­eur Kreckow
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 ??  ?? Regisseur Richard Huber (58) am Set in Hamburg
Regisseur Richard Huber (58) am Set in Hamburg

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