Hamburger Morgenpost

Ab Windstärke 10 nur noch Tee

Kapitän Jens Mielke Der Seemann über Übelkeit an Bord und die große Liebe

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Kapitän Jens Mielke fährt seit 15 Jahren bei jedem Wind und Wetter durch den Hamburger Hafen. Mal nach Finkenwerd­er, mal nach Neuhof, mal steht er während einer Hafenrundf­ahrt am Steuer der 50 Jahre alten „MS Kirchdorf “oder schippert, wie heute, mit dem gelben König-der-Löwen-Schiff „Jan Molsen“über die Elbe. Jens Mielke ist seit 40 Jahren Kapitän und braucht das Wasser, um glücklich zu sein. „In die Berge? Niemals!“, sagt der Mann, der genauso aussieht, wie sich eine Landratte einen echten Käpt’n vorstellt: grauer Vollbart, blitzende blaue Augen und dann redet er auch noch so, wie ein waschechte­r Hamburger reden sollte. „Ich erzähl euch mal ’n büschen aus meinem Leben.“

Bereits mit 15 Jahren fuhr der junge Jens aus Billstedt auf der Ostsee. Windstärke 11. „Ich hing nur über der Reling.“Drei Tage seekrank, „dann war ich damit durch“. Seinen Berufswuns­ch gab er deshalb nicht auf. „Ich wurde nie wieder seekrank. Aber ab Windstärke 10 trinke ich keinen Kaffee mehr, da stelle ich auf Wasser oder Tee um.“Später arbeitete er bei der Hamburger Reederei Vega und fuhr Fracht- und Containers­chiffe. Welche Eigenschaf­ten braucht man als Kapitän? „Standfest sollte man sein. Flexibel. Manchmal muss man Seelsorger sein. Und am wichtigste­n: Immer Ruhe bewahren.“Als Hadag-Kapitän übernimmt er inzwischen Fährpassag­en oder eben die Hafenrundf­ahrten.

Rund 50 Hamburg-Touristen sind heute an den Landungsbr­ücken eingestieg­en und staunen über die riesigen Containers­chiffe und Kräne, an denen die „Jan Molsen“dicht vorbeifähr­t. Später machen fast alle Fotos von der Elbphilhar­monie von der Wasserseit­e. Währenddes­sen hat Mielke die Elbe immer fest im Blick. Die Schiffe vor der „Jan Molsen“, das Boot der Wasserschu­tzpolizei dahinter, die Freizeitka­pitäne mit ihren motorisier­ten kleinen Booten backbord und steuerbord. „Das sind die Schlimmste­n, da muss man gut aufpassen“, sagt er und deutet auf ein kleineres Frachtschi­ff. „Solche Schiffe bin ich früher gefahren. Das waren härtere Zeiten als heute. Sechs Stunden arbeiten, sechs Stunden Pause, sechs Stunden arbeiten.“Holz habe er geladen, Maschinent­eile, Kali und Steine. „Unmengen von Steinen haben wir aus Dänemark geholt, die wurden zum Bau der Köhlbrandb­rücke gebraucht.“

Die Häfen Europas kennt er alle, Lissabon und Aberdeen gehörten zu seinen Lieblingsz­ielen. Aber am allerliebs­ten fuhr Mielke nach Rostock. „Da hatte ich so eine Deern, die winkte mir immer zu. Die hätte ich gern mitgenomme­n.“Aber die Mauer stand noch, rausschmug­geln war zu gefährlich. „Fast wäre ich ihretwegen in die DDR ausgewande­rt.“Doch am Ende blieb „die Deern“im Osten und Mielke fand die Liebe in Hamburg. „Ein Mädchen in jedem Hafen, so ’n Quatsch“, sagt er. Noch drei Jahre und neun Monate wird der 62-Jährige als fest angestellt­er Hadag-Kapitän im Hamburger Hafen fahren. Danach vielleicht noch ab und zu, wenn Not am Mann ist. „Schließlic­h liebe ich meinen Beruf “, sagt er. Trotzdem freut er sich darauf, mehr Zeit zu haben. Um sein Haus zu renovieren zum Beispiel. Oder um zu kochen. Sein Lieblingsg­ericht. Und das passt so gut zu Mielke wie die Kapitänsmü­tze auf den grauen Haaren: Labskaus, was sonst.

„Ein Mädchen in jedem Hafen – so ein Quatsch!“

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