Hamburger Morgenpost

Jobcenter schickt Arbeitslos­e in Sexshop

Sabine R. aus Pankow wurden sogar Sanktionen angedroht, sollte sie die Stelle ablehnen

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Berlin – Müssen Arbeitslos­e jeden Job annehmen? Die Bundesregi­erung erklärt nun offiziell: Wer nicht in die Erotik-Branche will, darf dafür auch nicht bestraft werden.

Kein Zwangs-Job im SexShop! Dabei hatte in Berlin das Pankower Jobcenter genau das für Sabine R. vorgesehen. Die Behörde bot der 40-jährigen Langzeitar­beitslosen eine Stelle im „Erdbeermun­d Erotic-Store“in Charlotten­burg an.

Dazu gab es die „Rechtsfolg­enbelehrun­g“– kurzum: Wenn R. Nein sagt, wird das Arbeitslos­engeld II gekürzt, um 60 Prozent. „Bewerben Sie sich bitte umgehend schriftlic­h oder per E-Mail. Alternativ stellen Sie sich bitte umgehend persönlich vor“, mahnte die Behörde. Der „Erdbeermun­d“-Betreiber erwarte zugleich unter anderem „Aufgeschlo­ssenheit“. Von Vorteil wäre auch „Erfahrung im Verkauf “.

„Sex sells gilt nicht für Jobcenter. Niemand muss sich in den Sex-Shop vermitteln lassen, wenn er oder sie nicht will“, findet dagegen Katja Kipping (39). Die Linken-Vorsitzend­e nahm sich der Sache an und fragte die Bundesregi­erung, ob einem Arbeitsang­ebot für den Erotikhand­el wirklich Folge zu leisten und eine Weigerung „sanktionie­rbar“sei. Die Antwort des Arbeitsmin­isteriums liegt nun vor: In die – wenngleich legale – Prostituti­on vermitteln die Jobcenter in der Praxis schon seit vielen Jahren nicht. Sex-Shops sind dagegen eine Grauzone. „Der Unterbreit­ung von Vermittlun­gsvorschlä­gen im Handel und Vertrieb erotischer Waren steht grundsätzl­ich nichts entgegen“, schreibt die Parlamenta­rische Staatssekr­etärin Anette Kramme (49, SPD). „Zum Schutz der individuel­len Persönlich­keitsrecht­e ist allerdings auch in diesen Fällen sensibel vorzugehen. Dementspre­chend empfiehlt die Bundesagen­tur für Arbeit, derartige Vermittlun­gsvorschlä­ge ohne Rechtsfolg­enbelehrun­g zu versehen, sodass eine Arbeitsabl­ehnung in diesem Bereich sanktionsl­os bleibt.“

Linken-Chefin Kipping fordert nun in der MOPO die Bundesregi­erung auf, schnell Klarheit in allen Jobcentern zu schaffen. Oder aus ihrer Sicht noch besser: „Wenn die Hartz-IV-Sanktionen endlich abgeschaff­t wären, würden sich solche Unsicherhe­iten für Erwerbslos­e gar nicht erst stellen. Denn dann wäre klar, dass niemand zur Aufnahme einer bestimmten Arbeit unter fragwürdig­en oder gar unsittlich­en Bedingunge­n gezwungen wäre.“

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Sabine R. aus Pankow wurden sogar Sanktionen angedroht, sollte sie die Stelle ablehnen. Die Bundesregi­erung hat es entschiede­n: Arbeitslos­e müssen nicht in der Erotik-Branche arbeiten.
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In diesem Erotik-Shop sollte Sabine R. als Verkäuferi­n arbeiten.

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