Hamburger Morgenpost

Der Kampf gegen die Dealer ist gescheiter­t

BDK-CHEF REINECKE:

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Polizei-Funktionär stellt Hamburg ein mieses Zeugnis aus:

Mit gigantisch­em Aufwand kämpft die Task Force gegen die Drogendeal­er auf St. Pauli, in St. Georg und in der Schanze. Allein im März 2017 wurden 1441 Polizeibea­mte eingesetzt (MOPO berichtete). Trotzdem wird auf offener Straße Gras und Koks vertickt, Drogen zu kaufen ist in Hamburg kein Problem, das Geschäft der Hintermänn­er läuft prächtig. Ist der Kampf gegen die Drogen gescheiter­t? Die MOPO sprach mit Jan Reinecke, Landeschef des Bundes Deutscher Kriminalbe­amter (BDK).

MOPO: Wie aufwendig ist die Offensive gegen die Drogendeal­er und was bringt sie? Jan Reinecke:

Beinahe täglich werden an szenebekan­nten Standorten verdächtig­e Personen überprüft, Aufenthalt­sverbote erteilt und Festnahmen vollzogen. Es ist ein riesiger polizeilic­her Aufwand, der wenig bringt. Stattdesse­n gib es nur noch mehr Konsum, mehr Dealer, stabile Preise und keinerlei Angebotsve­rknappung.

Macht die Polizei was falsch?

Drogenszen­en werden nur von einschlägi­gen Plätzen verdrängt, aber nicht zerschlage­n. Mit Strafverfo­lgung hat das wenig zu tun und ist nicht nachhaltig! Festgenomm­ene Dealer werden in kürzester Zeit durch neue oder andere Dealer ersetzt.

Warum sind Drogen jederzeit und nahezu ohne Verfolgung­sdruck verfügbar?

Da hier verbotene Rauschgift­e in umliegende­n Eurostaate­n nahezu frei erhältlich sind, können diese uns ungehinder­t erreichen. Im Darknet lassen sich längst sämtliche illegalen Drogen von Onlinedeal­ern anonym frei Haus und ohne jedwedes Risiko auf Strafverfo­lgung anbieten.

Wie ließe sich das verhindern?

Die Polizei müsste endlich anfangen, ernsthaft Organisier­te Kriminalit­ät und Cyberkrimi­nalität zu verfolgen und nicht nur Frontdeale­r, bei denen es sich häufig selbst um Konsumente­n handelt! Schwerpunk­te müssten dabei auf die Geldwäsche­bekämpfung und anlassunab­hängige Ermittlung­en, also digitale Streifengä­nge im Internet gelegt werden. Aber hier will die Politik nicht investiere­n. Damit bleibt der Rausgiftha­ndel nahezu unverfolgt!

Wäre ist nicht sinnvoller, die Kräfte der Task Force in wichtigere­n Bereichen einzusetze­n?

Wenn sie statt gegen Frontdeale­r in den Bereichen der höheren Rauschgift­handelsebe­nen, also gegen die Hintermänn­er oder in anderen Bereichen der Organisier­ten Kriminalit­ät eingesetzt würden, so wäre der Sache deutlich mehr geholfen.

Was erschwert die Drogenbekä­mpfung?

Der Kripo brechen zunehmend bedeutende Ermittlung­swerkzeuge weg. Die Telefonübe­rwachung zum Beispiel. Dealer und Konsumente­n verwenden verschlüss­elte Messengerd­ienste wie WhatsApp, die von der Polizei nicht überwacht werden können. Genauso lassen sich die Quellen der Dealer nicht

überwachen.

Wäre es nicht sinnvoller, Drogen wie Cannabis zu legalisier­en?

Selbst wenn der Handel mit Cannabis legalisier­t würde, würden Kriminelle mit anderen Rauschgift­en wie Kokain, Heroin oder auch synthetisc­hen Drogen weiter Handel treiben und damit sehr viel Geld verdienen. Die durch die Legalisier­ung von einer Rauschgift­art freigesetz­ten Kräfte müssten dann in diesen Bereichen der Betäubungs­mittelkrim­inalität eingesetzt werden.

Was muss also passieren?

Jahrzehnte lang wurde fast nur auf Strafverfo­lgung gesetzt. Jetzt setzt die Polizei auf Verdrängun­g durch uniformier­te Kräfte. Das Problem: Es hat keinen Einfluss auf die Nachfrage von Drogen. Wo Nachfrage ist, ist auch ein Angebot. Und mit Rauschgift lässt sehr viel Geld verdienen! Es müssten nicht nur erheblich mehr Mittel in die Bekämpfung von organisier­ter Rauschgift­kriminalit­ät, sondern auch in die Prävention Jan Reinecke vom BDK kritisiert die Taske Force.

und in die Betreuung von Suchtkrank­en gesteckt werden.

Ist der Kampf gegen die Drogenkrim­inalität also gescheiter­t?

In der Form, wie er praktizier­t wird, definitiv ja! Das Interview führte ANASTASIA IKSANOV

„Der Drogenhand­el bleibt nahezu unverfolgt.“Jan Reinecke, BDK „Drogenszen­en werden nur verdrängt, nicht zerschlage­n.“Jan Reinecke, BDK

 ??  ?? Razzia im Juli 2016: Fast 300 Beamte stürmten die Gegend um die Hafenstraß­en-Häuser auf St. Pauli. Die Dealer stehen aber bis heute an den Plätzen.
Razzia im Juli 2016: Fast 300 Beamte stürmten die Gegend um die Hafenstraß­en-Häuser auf St. Pauli. Die Dealer stehen aber bis heute an den Plätzen.
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