Das Leid nach dem Mord an der Mutter
Nach fast zwei Jahren Prozess: Die Kinder der getöteten Rentnerin Edith D. (✝ 84) richten emotionale Worte an die Angeklagten und deren Großfamilie
Von STEPHANIE LAMPRECHT
130 Verhandlungstage saßen sie den Menschen gegenüber, die ihre Mutter gequält und dann getötet haben sollen. Was genau in den letzten Minuten im Leben der Rentnerin geschah, erfuhren Ingrid Töws-Gehrke (64) und Bernd Dutschke (60) jedoch nicht. Den Schmerz über das Schweigen der Angeklagten fasste das Geschwisterpaar gestern in ergreifende Worte. „Niemand kann ermessen, wie es ist, seine Mutter auf diese Art zu verlieren“, sagt Ingrid Töws-Gehrke, „ich werde den Gedanken nicht los, wie es ihr in ihren letzten Stunden ergangen ist, was man dieser lieben Frau angeden tan hat.“Sie beschreibt ihre Mutter, die so gern Skat spielte, die toll im Kopfrechnen war: „Zahlen waren ihre Welt, niemals hätte sie ihre PIN auf einen Zettel geschrieben.“
Am 17. Juni 2014 wurde Edith D. in ihrer Wohnung am Vogelhüttendeich (Wilhelmsburg) zu Tode misshandelt. „Ich gehe davon aus, dass meine Mutter gefoltert wurde, um an ihre PIN und die Schmuckverstecke zu kommen“, sagt die Tochter. Edith D. hatte Schmuck im Wert von 30000 Euro und Bargeld in der Wohnung.
Die Angeklagten, zwei Männer und eine Frau, gehören zu einer polnischen Großfamilie. Aramis P. (27) und Rikardo W. (25) blicken teilnahmslos. Nur Angelika S. (24), weint. Sie hat nach der Bluttat mit der EC-Karte der Rentnerin 1000 Euro abgehoben. Die Staatsanwaltschaft hat für alle drei lebenslange Haft wegen Morde gefordert.
Sohn Bernd Dutschke geht hart mit der Verteidigung ins Gericht, greift besonders Anwalt Uwe Maeffert an, der Aramis P. vertritt und in den vergangenen 22 Monaten mit unzähligen Beweisanträgen versucht hat, Zweifel zu säen und seinen Mandanten vor der Höchststrafe zu bewahren. Ungebührliches Verhalten wirft der Sohn dem als besonders angriffslustig bekannten Strafverteidiger vor, „unkontrolliertes Brüllen“, den Verlust „sämtlicher moralischer Werte“. Gipfel der Attacke: „Woher stammt das Geld, mit dem Sie bezahlt werden? Aus dem Raub unserer Mutter?“
Er zeigt ein Foto von dem zerstörten Gesicht seiner Mutter, dann richtet der trauende Sohn seine letzten Worte an die Mitglieder der polnischen Großfamilie im Zuschauerraum: „Sie kamen in den 90er Jahren nach Deutschland. Seitdem wer- Sie vom deutschen Sozialsystem alimentiert. Ihre Kinder sind auf deutsche Schule gegangen. Ihnen wurden Sozialbetreuer an die Seite gestellt. Und zum Dank verfolgen sie unsere alten Menschen.“Urteil 20. Juni. Rikardo W. (25) will nur Schmiere gestanden haben. Aramis P. (27) soll die Idee zu dem Raub gehabt haben. Angelika S. (24) hat mit der ECKarte der Toten Geld abgehoben.