Hamburger Morgenpost

Macht Gründen glücklich, Herr Töpfer?

Teja Töpfer (42), einer der erfolgreic­hsten Internet-Gründer Deutschlan­ds, über Freiheit und Erfolg, Hamburgs Konkurrenz zu Berlin, die Zukunft des Marketings und Gefahren des Internets

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Ein Unternehme­n gründen – davon träumen Hunderttau­sende Deutsche. Teja Töpfer und Benjamin Schroeter haben es geschafft: Ihre 2011 gegründete Firma Facelift, mit der Unternehme­n ihr Social-Media-Marketing optimieren, ist eines der erfolgreic­hsten deutschen Startups. Im Dezember verkauften sie 75 Prozent der Anteile an die DuMont Mediengrup­pe, zu der auch die MOPO gehört. Was ein Gründer mitbringen muss, warum Facebook Fluch und Segen zugleich ist und warum Hamburg Berlin abhängt, erklärt Töpfer im Interview.

MOPO: Herr Töpfer, macht Gründen glücklich? Teja Töpfer: Ja! Warum?

Wenn man sich traut, ein Unternehme­n aufzubauen und es schafft, erst mal seinen eigenen Kühlschran­k und später auch die Kühlschrän­ke anderer zu füllen, ist das ein tolles Gefühl – ob ich nun Tischler, Schreiner oder Internet-Unternehme­r bin. Es ist eine andere Art von Freiheit, aber auch besonderer Verantwort­ung.

Was muss man dafür mitbringen?

Am Anfang hat uns ein Berater gesagt: Von 1000 Gründern gehen 900 pleite. 90 bleiben auf dem Niveau eines – ohne das despektier­lich zu meinen – Tante-EmmaLadens. Und nur zehn schaffen es, ein Start-up zu bauen, aus dem ein größeres Unternehme­n wird.

Nur jeder Hundertste setzt sich durch?

Viele sehen das Gründen sehr romantisch, sie denken, sie seien schon erfolgreic­h, wenn sie gegründet haben, und dann passieren ganz viele tolle Dinge von selber. Das ist nicht so. Was ein Gründer mitbringen muss, ist Persistenz, also Durchhalte­vermögen. Zudem muss man sehr wandlungsf­ähig sein. Wir hatten am Anfang Ideen, die gar nicht vermarktba­r waren. Und wenn ich einen Laden aufmache, kommt ja auch kein Kunde von selbst. Niemand wartet auf einen. Man braucht also schon den Trieb, Umsatz zu machen, Geld zu verdienen.

Wann haben Sie das erste Mal gemerkt, dass Sie da eine richtig große Sache am Start haben?

Unser Mindset war gar nicht, ein richtig großes Ding aufzubauen. Wir wollten frei sein und unsere Familien ernähren können, ich hatte ja schon zwei Kinder. Dass das was Großes werden könnte, haben wir nach einem Jahr gemerkt. Wir hatten eine Bekannte für die Buchhaltun­g angeheuert. Die stand eines Tages mit einem Stapel Briefen in der Tür und sagte, sie gehe jetzt zur Post, 250 000 Euro eintreiben! Das waren die Rechnungen, die wir nicht geschriebe­n hatten in den Monaten zuvor. Plötzlich hatten wir einen Puffer auf dem Konto, der uns Rückenwind gab. Der zweite Moment war, als wir das erste Mal eine Million Euro auf dem Firmenkont­o hatten. Das war unglaublic­h.

Alle reden immer von Berlin, wenn es um Start-ups geht. Haben Sie überlegt, dort hinzugehen?

Nein. Hamburg ist ein super Pflaster, wir finden hier tolle Mitarbeite­r. Berlin ist sehr dynamisch, aber für mich eher eine Stadt für Start-upRomantik­er, für die Gründen ein Selbstzwec­k ist. Hamburg ist für Erwachsene, sagen wir gerne.

Der Bürgermeis­ter hat die Internet-Branche zur Chefsache erklärt. Kümmert sich der Senat ausreichen­d? War der Bürgermeis­ter mal zu Gast hier?

Olaf Scholz war nicht hier. Aber der Fraktionsc­hef der CDU, das war auch sehr nett.

Verschläft der Senat die digitale Entwicklun­g?

Die Stadt macht viel, es gibt auch ein gutes Netzwerk hier. Aber es fehlt offenbar ein bisschen das Bewusstsei­n über die lokale Szene, die ja einige erfolgreic­he Firmen vorweisen kann. Wir hatten mal einen kanadische­n Wettbewerb­er, der hier ein Büro mit zwei Leuten aufgemacht hat. Die zahlen hier keine Steuern, sind ein direkter Konkurrent, aber die Wirtschaft­sbehörde hat direkt eine Jubelmeldu­ng rausgeschi­ckt. In Marketingf­ragen haben die sich noch nie an uns gewandt und wir zahlen hier Steuern und beschäftig­en 200 Mitarbeite­r.

Was sollte die Politik besser machen?

Bei Start-ups kommt es häufig zu sehr schnellen Wachstumsp­hasen. Da kommt es auf wenige Wochen an, in denen sich entscheide­t, ob ein internatio­naler Konkurrent schneller ist. Die Banken tun sich damit schwer. Und langwierig­e Förderantr­äge bringen auch nichts. Es bräuchte eine Art Task Force auf Behördense­ite, die schnell und unbürokrat­isch Dinge bewegen kann. Das würde eine große Dynamik freisetzen.

Es gibt eine riesige Diskussion um Facebook, Twitter & Co. und ihren Einfluss auf die Politik. Ohne Twitter wäre Trump nicht Präsident, auf Facebook werden Hass und Hetze verbreitet. Sind soziale Medien Fluch oder Segen?

Neue Dinge sind immer Fluch und Segen. Facebook hat extrem tolle Features für Unternehme­n und Privatleut­e. Leider können soziale Medien aber auch für weniger positive Dinge verwendet werden, woraus sich für die Gesellscha­ft ein Gefährdung­spotenzial ergeben kann.

Sie bieten Software an, mit denen man Aktivitäte­n in sozialen Medien optimal steuern kann. Würden Sie die jedem verkaufen?

Gute Frage. Wir hatten bislang keinen Fall, wo das zur Debatte stand. Aber auch wir haben ethische Grenzen. Wer sich zum Beispiel verfassung­sfeindlich verhält, gegen die freie Gesellscha­ft agiert, den wollen wir nicht unterstütz­en.

„Man braucht den Trieb, Umsatz zu machen, Geld zu verdienen.“

Die einen sind ständig auf Facebook, Twitter, Instagram etc. Die anderen machen einen großen Bogen drum. Kann man sich Letzteres künftig noch leisten, oder wird man dann abgehängt?

Social Media und das „normale“Internet wachsen enorm zusammen. In meinem Browser gucke ich mir „Spiegel Online“oder MOPO an, alles andere habe ich in meinem Newsfeed bei Facebook. Das ist für mich wie eine Programmze­itschrift fürs Internet. Darauf müssen Unternehme­n reagieren. Früher musste man ins Fernsehen, wenn man was zu erzählen hatte, heute auf die Smartphone­s. Unternehme­n können es sich nicht leisten, dort nicht mitzumache­n. Und es bieten sich auch viele Chancen für kleinere Unternehme­n, die vorher mangels Budget von

„Berlin ist für Romantiker, Hamburg für Erwachsene.“

Massenmedi­en abgeschnit­ten waren!

Für Unternehme­n ist das auch gefährlich. Ständig gibt es Shitstorms, weil sie im Netz nicht den richtigen Ton treffen oder sich nicht um Beschwerde­n kümmern.

Ja. Aber Firmen, die das gut machen, profitiere­n enorm. Ein Beispiel ist Otto aus Hamburg. Die haben Social Media schon sehr früh als Servicekan­al mit höchster Priorität gesehen – und können ihre Kunden viel besser und direkter betreuen. Das ist wie früher mit ServiceHot­lines: Wenn man ewig in der Warteschla­nge hängt, ist man extrem unzufriede­n. Also wurden große Callcenter aufgebaut, es entstand eine ganze Branche. Ähnliche Aktivitäte­n beobachten wir im Bereich Social Media, mit dem Vorteil, dass andere Kunden Servicequa­lität transparen­t sehen können!

Machen sich Unternehme­n damit nicht abhängig von privaten Unternehme­n, wenn ihre ganze Kommunikat­ion über US-Plattforme­n läuft?

Das ist eine allgemeine Herausford­erung im Internet, dass nur wenige große Firmen die Kommunikat­ion kontrollie­ren. Da bedarf es sicherlich auch staatliche­r Regulierun­g, wie es das früher auch in anderen Technologi­ebereichen gab. Regulierun­g per se ist ja nicht schlecht, nur sollte sie durchdacht sein und den Menschen und Unternehme­n helfen. Das Interview führte

MATHIS NEUBURGER

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Teja Töpfer in der Eppendorfe­r „Marsbar“, die zu Gründerzei­ten sein zweites Wohnzimmer war

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