Kommt der Exit vom Brexit?
Briten demütigen Premierministerin May. Verhandlungen mit EU im Juni
London – Es sah so einfach aus für Theresa May: Schnell und überraschend Neuwahlen ansetzen, die Mehrheit ihrer Konservativen noch weiter ausbauen und dann den Europäern mit neuer Stärke beim Brexit-Krach entgegentreten. Doch alles kam anders: Bei den Unterhauswahlen triumphierte Mays linker Gegenspieler Jeremy Corbyn, während die Tories haufenweise Sitze verloren, dazu die absolute Mehrheit und jede Menge Respekt. Mit Mühe und Not reicht es für die gedemütigte Premierministerin noch für eine Koalitionsregierung.
Wie kam es zu Mays Wahldesaster? Als die Premierministerin im April Neuwahlen ausrief, versprachen ihr alle Umfragen einen gewaltigen Vorsprung vor Labour und die Medien einen schwer angeschlagenen Konkurrenten in Jeremy Corbyn. Doch dann ging alles schief: May schnitt den Tory-Wahlkampf auf sich selbst zu – und versagte: Floskelhafte Reden, die verheerende „DemenzSteuer“als neue soziale Härte, die sie dann schnell zurücknehmen musste. Und auch die Terroranschläge von Manchester und London spielten nicht Mays Law-and-Order-Tories in die Hände, sondern Labour: In sechs Jahren als Innenministerin war May verantwortlich für drastische Kürzungen bei Polizei und Geheimdiensten.
Wer sind die Sieger, wer sind die Verlierer?
Verlierer hat diese Wahl viele: Die Tories verloren 12 Sitze und ihre absolute Mehrheit. Doch auch Schottlands linksliberale SNP verlor viele Sitze, die Rechten von der UKIP flogen ganz aus dem Parlament, fluchtartig verließen die Wähler die Europafeinde. Klarer Gewinner ist Labour unter dem linken Rebellen Jeremy Corbyn – 31 Sitze nahmen sie vor allem den Tories ab, gewannen fast 10 Prozent der Stimmen hinzu.
Wer kann nun eine
Regierung bilden? Statt einer klaren absoluten Mehrheit für die Tories haben die Briten ein „hung parliament“gewählt – in dem keine Partei allein regieren kann. Theresa May sprach gestern bei der Queen vor – sie will nun mit Unterstützung der weit rechts stehenden nordirischen Protestanten-Partei DUP eine Minderheitsregierung bilden. Ob sie die dann aber auch führt, ist völlig offen – nach der Katastrophe sägen gleich mehrere Tory-Schwergewichte wie Außenminister Boris Johnson an ihrem Stuhl. Für Jeremy Corbyn dürfte es nicht reichen, weil die DUP ihn hasst und ihm damit die entscheidenden Sitze im Parlament fehlen.
Kommt jetzt der Exit vom Brexit?
Sicher nicht, denn außer den Liberalen sind alle Parteien im neuen Parlament für den Brexit. Doch entscheidend ist die Frage, wie der ablaufen soll: Theresa May setzt auf einen harten Brexit und ein Kräftemessen mit Brüssel. Doch genau diese Extrem-Position haben die Briten am Donnerstag abgewählt, Labour will einen ruhigeren Ausstieg in enger Absprache mit der EU – und selbst Mays neuer Bündnispartner, die europakritische DUP, plädiert für einen „soften“Brexit. „Der harte Brexit wurde abgewählt“, so Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer. Die Premierministerin setzte gestern auf die urbritische Haltung des „Carry on“: Als wäre nichts passiert, will sie am 19. Juni in die entscheidenden Brexit-Verhandlungen mit der EU einsteigen. Doch die Briten haben May gedemütigt: Ihre Verhandlungsposition in den Kämpfen mit der Rest-EU ist nun noch weitaus schwächer als vor dieser Peinlich-Wahl. Und die Zeit drängt: Wenn es bis März 2019 keinen sauberen Deal gibt, fliegt Großbritannien hochkant aus der EU – ohne Sicherheiten, ohne Kompromisse. Das wäre dann pures Chaos und eine Katastrophe für beide Seiten – politisch und vor allem wirtschaftlich.