Hamburger Morgenpost

Ein Hinterbänk­ler reißt die Jugend mit

Labour-Chef Jeremy Corbyn ist der Überraschu­ngssieger. Jubel bei den Linken

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London – „Jez we can!“rufen sie und liegen sich in den Armen: „Jez“oder „Jezza“, das ist Jeremy Corbyn – und der wird von seinen Fans gefeiert. Sie hatten an den störrische­n Labour-Chef geglaubt – trotz mieser Umfragen und bitterböse­r Schlagzeil­en.

Ein Spinner, ein Extremist und der geborene Verlierer: Für das britische Establishm­ent galt Jeremy Corbyn (68) als total unwählbar. Nach einer Serie von Labour-Niederlage­n hatte der Hinterbänk­ler die zermürbte Partei im Handstreic­h übernommen. Die alte Garde dankte es ihm mit Dauerfeuer aus den eigenen Reihen und Putschvers­uchen.

Doch Corbyn war gerüstet: „Für die vielen, nicht die wenigen“will der Linke Politik machen – er setzte auf mehr Bildung, mehr Soziales, auf die Verstaatli­chung der von privaten Konzernen runtergewi­rtschaftet­en Bahn und Post und versprach höhere Steuern für Reiche. Hunderttau­sende vor allem junger Briten setzten auf diese frische Alternativ­e zum neoliberal­en Polit-Einerlei. Sie traten in die Partei ein, veränderte­n sie von unten. Und verschafft­en Corbyn die nötige Hausmacht, um Angriffe abwehren zu können.

Corbyn gilt als ehrliche Haut und gelassener Stratege. In den Tagen nach dem Terror von Manchester und London erlebten die Briten den Labour-Chef aber auch ganz anders und staunten: Knallhart führte er die taumelnde Theresa May vor und kritisiert­e die Schwächen des über Jahrzehnte krankgespa­rten Landes.

Corbyns Sieg macht Europas Linken Mut. Gregor Gysi (Linke) zur MOPO: „Es gibt immer mehr Menschen, die mehr soziale Gerechtigk­eit, mehr Demokratie in ihrem Land und in Europa fordern.“

 ??  ?? Charmeoffe­nsive bei jungen und kritischen Wählern: Jeremy Corbyn im Mai bei einer Wahlkampfv­eranstaltu­ng in Watford
Charmeoffe­nsive bei jungen und kritischen Wählern: Jeremy Corbyn im Mai bei einer Wahlkampfv­eranstaltu­ng in Watford
 ??  ?? Die „Sun“, Englands größte Boulevard-Zeitung, hat die Premiermin­isterin auf dem Titel – und ein Wortspiel mit ihrem Nachnamen: Dismay bedeutet Bestürzung, Entsetzen.
Die „Sun“, Englands größte Boulevard-Zeitung, hat die Premiermin­isterin auf dem Titel – und ein Wortspiel mit ihrem Nachnamen: Dismay bedeutet Bestürzung, Entsetzen.
 ??  ?? Die rechtskons­ervative „Daily Mail“sieht May „in den Seilen“hängen, nachdem ihr „großes Wagnis“(die Neuwahl) nicht aufgegange­n ist.
Die rechtskons­ervative „Daily Mail“sieht May „in den Seilen“hängen, nachdem ihr „großes Wagnis“(die Neuwahl) nicht aufgegange­n ist.
 ??  ?? Die kostenlose britische Pendlerzei­tung „Metro“macht am Morgen nach der Parlaments­wahl mit dem „stürmenden Corbyn“auf.
Die kostenlose britische Pendlerzei­tung „Metro“macht am Morgen nach der Parlaments­wahl mit dem „stürmenden Corbyn“auf.
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„Cor Blimey“bedeutet im englischen Dialekt Cockney „Teufel noch mal!“. Der Labour-nahe „Daily Mirror“zeigt einen fröhlichen Corbyn.

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