Linkspartei rückt von der Schulz-SPD ab
„Runter vom toten Pferd“: Bundesparteitag streitet um ein Bündnis mit Rot-Grün
Hannover – Der Traum vom Kanzleramt ist für Martin Schulz (SPD) am Wochenende ein weiteres Stück in die Ferne gerückt. Überraschend deutlich gehen wichtige Linken-Vertreter auf dem Parteitag auf Distanz zu einer möglichen Regierungskoalition mit SPD und Grünen. Auf der Versammlung in Hannover, bei der es um das Wahlprogramm geht, kommt es zu einem offenen Schlagabtausch um Schulz.
Während der „Realo“-Flügel der Linken weiterhin offensiv für ein rot-rot-grünes Bündnis nach der Bundestagswahl wirbt, machen einf ussreiche Parteifunktionäre um Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht Front gegen eine Koalition mit den Sozialdemokraten. Wagenknecht selbst findet, dass diese allein schon wegen der fehlenden Mehrheit „so gut wie tot“sei.
Parallel zum Umfrage-Absturz droht der SPD damit auch der Verlust einer Machtoption. „Wir sollten uns nicht an diesen komischen Schulz binden und mit ihm absacken“, wettert Fraktions-Vize Wolfgang Gehrcke in der Eilenriedehalle des Congress Centers. „Wenn du entdeckst, dass du ein totes Pferd reitest, steig ab“, rät auch die Wagenknecht-Vertraute Sevim Dagdelen. Beide werben auf dem am Sonntag endenden Parteitag für einen „kräftigen Oppositionswahlkampf “.
Auch inhaltlich scheinen die Distanzen zur SPD drei Monate vor der Wahl weiter zu wachsen. Parteichef Bernd Riexinger wetterte – anders als noch in den letzten Wochen – ungewohnt scharf gegen Schulz. Vom SPDChef, mit dem er sich noch während des Umfrage-Hypes zu einem vertraulichen Gespräch getroffen hatte, sei er „jämmerlich enttäuscht“, so Riexinger.
Und nach dem SPD-Flirt mit der FDP zum Test einer möglichen Ampel-Koalition habe Martin Schulz schließlich „jede Glaubwürdigkeit verloren“. „Mit nur wenigen Auftritten hat Schulz die Hoffnung von Millionen Menschen erst geweckt – und dann in kurzer Zeit enttäuscht, schimpfte Riexinger und erntete viel Applaus der knapp 600 Delegierten.
Der in den ostdeutschen Ländern starke Pragmatiker-Flügel trommelt hingegen dafür, dass sich die Linke auch im Bund endlich aufs Regieren vorbereitet. „Machen wir uns nicht kleiner, als wir sind“, fordert Co-Chefin Katja Kipping. Die Linke dürfe sich nicht selber auf die Oppositionsrolle reduzieren.
Fraktionschef Dietmar Bartsch gilt schon seit vielen Jahren als klarer Unterstützer einer Koalition mit Rot-Grün. Der Ko-Spitzenkandidat kündigte gestern gegenüber der MOPO am Sonntag an, offensiv für einen linken Regierungswechsel zu werben. „Zwölf Jahre Merkel sind genug“, so Dietmar Bartsch: „Wir werden den Kampf mit dem konservativ-liberalen Block aufnehmen.“
„Sollten uns nicht an den komischen Schulz binden“Fraktions-Vize Wolfgang Gehrcke