Hamburger Morgenpost

Linksparte­i rückt von der Schulz-SPD ab

„Runter vom toten Pferd“: Bundespart­eitag streitet um ein Bündnis mit Rot-Grün

- Von CHRISTIAN WIERMER

Hannover – Der Traum vom Kanzleramt ist für Martin Schulz (SPD) am Wochenende ein weiteres Stück in die Ferne gerückt. Überrasche­nd deutlich gehen wichtige Linken-Vertreter auf dem Parteitag auf Distanz zu einer möglichen Regierungs­koalition mit SPD und Grünen. Auf der Versammlun­g in Hannover, bei der es um das Wahlprogra­mm geht, kommt es zu einem offenen Schlagabta­usch um Schulz.

Während der „Realo“-Flügel der Linken weiterhin offensiv für ein rot-rot-grünes Bündnis nach der Bundestags­wahl wirbt, machen einf ussreiche Parteifunk­tionäre um Spitzenkan­didatin Sahra Wagenknech­t Front gegen eine Koalition mit den Sozialdemo­kraten. Wagenknech­t selbst findet, dass diese allein schon wegen der fehlenden Mehrheit „so gut wie tot“sei.

Parallel zum Umfrage-Absturz droht der SPD damit auch der Verlust einer Machtoptio­n. „Wir sollten uns nicht an diesen komischen Schulz binden und mit ihm absacken“, wettert Fraktions-Vize Wolfgang Gehrcke in der Eilenriede­halle des Congress Centers. „Wenn du entdeckst, dass du ein totes Pferd reitest, steig ab“, rät auch die Wagenknech­t-Vertraute Sevim Dagdelen. Beide werben auf dem am Sonntag endenden Parteitag für einen „kräftigen Opposition­swahlkampf “.

Auch inhaltlich scheinen die Distanzen zur SPD drei Monate vor der Wahl weiter zu wachsen. Parteichef Bernd Riexinger wetterte – anders als noch in den letzten Wochen – ungewohnt scharf gegen Schulz. Vom SPDChef, mit dem er sich noch während des Umfrage-Hypes zu einem vertraulic­hen Gespräch getroffen hatte, sei er „jämmerlich enttäuscht“, so Riexinger.

Und nach dem SPD-Flirt mit der FDP zum Test einer möglichen Ampel-Koalition habe Martin Schulz schließlic­h „jede Glaubwürdi­gkeit verloren“. „Mit nur wenigen Auftritten hat Schulz die Hoffnung von Millionen Menschen erst geweckt – und dann in kurzer Zeit enttäuscht, schimpfte Riexinger und erntete viel Applaus der knapp 600 Delegierte­n.

Der in den ostdeutsch­en Ländern starke Pragmatike­r-Flügel trommelt hingegen dafür, dass sich die Linke auch im Bund endlich aufs Regieren vorbereite­t. „Machen wir uns nicht kleiner, als wir sind“, fordert Co-Chefin Katja Kipping. Die Linke dürfe sich nicht selber auf die Opposition­srolle reduzieren.

Fraktionsc­hef Dietmar Bartsch gilt schon seit vielen Jahren als klarer Unterstütz­er einer Koalition mit Rot-Grün. Der Ko-Spitzenkan­didat kündigte gestern gegenüber der MOPO am Sonntag an, offensiv für einen linken Regierungs­wechsel zu werben. „Zwölf Jahre Merkel sind genug“, so Dietmar Bartsch: „Wir werden den Kampf mit dem konservati­v-liberalen Block aufnehmen.“

„Sollten uns nicht an den komischen Schulz binden“Fraktions-Vize Wolfgang Gehrcke

 ??  ?? Mit der SPD an die Macht oder ohne SPD in die Opposition? Die beiden Parteichef­s Katja Kipping und Bernd Riexinger sind sich nicht immer einig.
Mit der SPD an die Macht oder ohne SPD in die Opposition? Die beiden Parteichef­s Katja Kipping und Bernd Riexinger sind sich nicht immer einig.
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