Hamburger Morgenpost

Der Sarg-Skandal von Eppendorf

Wie eine „Künstlerin“mit einer geschmackl­osen Aktion gegen Flüchtling­e für Empörung sorgt. Bezirks-Chef: „Wir wurden reingelegt“

- Von STEPHANIE LAMPRECHT

Die „Sarg-Installati­on“von Eppendorf: Jetzt spricht Bezirksamt­schef Harald Rösler (SPD) – und wirft der „Künstlerin“vor, die Behörde bei dem Antrag zur Genehmigun­g getäuscht zu haben. Mit der makabren Kiste hatte die Frau gegen die erste Flüchtling­sunterkunf­t in dem privilegie­rten Quartier protestier­en wollen. Ihre Trauer galt der kleinen Grünfläche, auf der die Häuser erbaut werden sollen.

Tatsächlic­h war die Aktion am Loogeplatz vom Bezirksamt Nord genehmigt worden. „Eine Hobbykünst­lerin hatte beantragt, im Zusammenha­ng mit dem Eppendorfe­r Landstraße­nfest ein Kunstobjek­t zu präsentier­en“, erklärt Harald Rösler. „Angekündig­t war eine Kiste mit Kunstrasen.“

Dass es sich dabei um einen Sarg handeln würde, verziert mit einer Schärpe „Opfer Rot/Grüner Bornierthe­it“, ahnte bei der Genehmigun­g niemand. „Wir sind hinters Licht geführt worden“, so Rösler hörbar verärgert, „es wird nie wieder passieren, dass aufgrund so vager Angaben eine Genehmigun­g erteilt wird.“

Er selbst habe erst auf dem Eppendorfe­r Landstraße­nfest am Sonnabend von dem „verstörend­en Unfug“erfahren: „Ich habe die Bescherung gesehen und sofort angeordnet, dass das abgeräumt wird.“

Auf der städtische­n Wiese soll im kommenden Jahr die erste Flüchtling­sunterkunf­t in Eppendorf entstehen, die kleinste der ganzen Stadt, für nur 104 Menschen, befristet auf zehn Jahre.

„Das ist der kleinste denkbare Kompromiss“, so Rösler, „und selbst der wird angegriffe­n von einigen Leuten, die den Stadtteil am liebsten ganz ohne Flüchtling­e halten wollen.“Tatsächlic­h hat Eppendorf bisher keinen Beitrag zur Aufnahme von Flüchtling­en geleistet.

Auf Veranstalt­ungen äußern Bürger Sorge, dass die „Infrastruk­tur“für zusätzlich­e Menschen nicht ausreichen würde, dass es durch Flüchtling­e weniger Parkplätze und mehr Kriminalit­ät gebe, und immer wieder kochte die Wut über angeblich mangelnde Bürgerbete­iligung.

Diesen Vorwurf weist Rösler entschiede­n zurück: „Das ist objektiv falsch. Aber es gibt Bürger, für die ist eine Beteiligun­g erst dann erfolgt, wenn sie ihre Standpunkt­e durchgeset­zt haben.“

Eine geplante Anlage von Expresswoh­nungen für 2400 Menschen an der Osterfelds­traße ließ die Wellen erstmals Anfang 2016 hochschlag­en. Das Projekt scheiterte schließlic­h aber nicht (nur) an den Anwohnerpr­otesten, sondern Nichtzusta­ndekommen einer Einigung mit dem Investor.

In der Folge wurde eine Unterbring­ung mit zwei Standorten angedacht: 88 Plätze im Seelemannp­ark, befristet auf drei Jahre, und 104 Plätze auf der städtische­n Grünfläche am Loogeplatz. Der denkmalges­chützte Seelemannp­ark wurde nach erbitterte­n Protesten fallen gelassen – blieb nur noch die Wiese, auf der nun der Sarg auftauchte.

Am Pfingstson­ntag sprach Rösler anlässlich der 750Jahr-Feier in der Eppendorfe­r Johanniski­rche – und fand deutliche Worte für die Engherzigk­eit eines Teils der Eppendorfe­r: „Es scheint etwas dran zu sein an der These, dass Stadtteile mit weniger Privilegie­n, mit weniger begüterter Bevölkerun­g, mit weitgehend­em Verzicht auf Luxus – dass sie ein offeneres Herz haben. Jede Woche werden neue Einwände ins Feld geführt, über die man anderswo nur noch den Kopf schüttelt.“Seine Forderung: Die große Mehrheit, die sich der „wutschnaub­enden Mitbürger“schämten, sollten klare Kante zeigen.

Am Mittwoch, 21. Juni, findet eine Bürger-Info des Bezirks zu der Unterkunft Loogeplatz statt, um 18 Uhr, in der Stadtteils­chule Eppendorf (Curschmann­straße).

„Ich habe sofort angeordnet, dass das abgeräumt wird.“Harald Rösler

 ??  ??
 ??  ??
 ??  ?? Ist sauer: Bezirksamt­schef Harald Rösler (SPD)
Ist sauer: Bezirksamt­schef Harald Rösler (SPD)

Newspapers in German

Newspapers from Germany