Hausbesuch beim Despoten
Oliver Stone drehte einen Film über Putin – und liefert dabei entlarvende Einblicke
Moskau – Wladimir Putin, der ewige Schurke! An dieses Bild glaubt der gefeierte US-Regisseur und Oskar-Preisträger Oliver Stone nicht. Er hat den Kreml-Herrscher deshalb zwölf mal getroffen, um dessen „wahrem Kern“nahe zu kommen. Herausgekommen ist die vierteilige DokuSerie „The Putin Interviews“, die ungewöhnliche und entlarvende Nahaufnahmen des Despoten liefert und am kommenden Wochenende auch in Deutschland zu sehen ist.
Stone und Putin sind sich erstmals bei den Recherchen zum Film „Snowden“begegnet, den der Amerikaner über den gleichnamigen US Whistle blower Edward Snowden gedreht hat. Snowden genießt in Russland Asyl. Offenbar hat Putin Vertrauen zu Stone gefasst – wohl auch, weil Stone nur selten kritisch nachfragt.
Herausgekommen sind dabei „Perlen“wie diese: Freie Tage brauche er nicht, erklärt der russische Präsident. „Ich bin schließlich keine Frau, also habe ich keine schlechten Tage.“Er wolle aber natürlich niemandem zu nahe treten, das sei aber „die Natur der Dinge. Es gibt gewisse natürliche Zyklen.“Ob er denn in einem U-Boot neben einem homosexuellen Soldaten duschen würde, fragt Stone. Putin, der 2013 umstrittene Gesetze zum Umgang mit Schwulen erlassen hatte, antwortet: „Naja, ich würde nicht gerne mit ihm duschen wollen. Warum ihn herausfordern? Aber wissen Sie, ich bin Master im Judo.“Stone erklärte vor kurzem zum Motiv für seinen Film: „Wenn die USA Russland als Feind betrachten, müssen sie auch versuchen
„Er hat nur die Interessen Russlands im Herzen“Oliver Stone über Putin
zu verstehen.“Stone glaubt, in den Gesprächen den „wahren Putin“entdeckt zu haben, der „im Grunde seines Herzens“nur die Interessen Russlands verfolgt.
Leider lässt es Stone aber des öfteren an der nötigen Distanz fehlen. Oder übernimmt Putins Behauptungen ungeprüft. Als er nach seinen Schwiegersöhnen gefragt wird, sagt Putin, diese seien „kleine Unternehmer“. Dass Putins Schwiegersohn Kirill Schamalow seit 2016 Dollar-Milliardär ist und unter dubiosen Umständen Anteile an Staatsbetrieben erhalten hat – Stone erwähnt es nicht. „Sie müssen ein glücklicher Mann sein“, sagt Stone stattdessen. Wenn Putin mal nicht antwortet – wie auf die Frage, was er für die langfristige Strategie der USA gegen Russland hält –, antwortet der Regisseur selbst: „Die russische Wirtschaft soll zerstört und ein loyales Regime in Moskau installiert werden, um Russland sein NuklearArsenal wegzunehmen.“
An einer Stelle schaut Stone mit Putin Ausschnitte aus „Dr. Seltsam oder wie ich lernte, die Bombe zu lieben“, über durchgeknallte US-Generäle und die Gefahren eines Atomkriegs. „Würden die USA einen Krieg mit Russland gewinnen?“, fragt Stone. „Niemand wird das überleben“, antwortet Putin. Und wenn die beiden gerade beim Thema sind: „Ich zähle fünf Anschläge auf Ihr Leben“, sagt Stone. Und Putin antwortet: „In Russland sagt man über Menschen, die dazu bestimmt sind zu hängen: Sie werden nicht ertrinken.“
So etwas kommt bei vielen Russen an. Nicht auszuschließen, dass die „Putin Interviews“deshalb schon bald im russischen TV laufen werden. Immerhin wird 2018 wieder gewählt. Bei uns ist der Stone-Film in zwei Teilen am kommenden Sonnabend (12.40 Uhr) und Sonntag ( 13.20 Uhr) auf Sky Atlantic HD zu sehen.
„Sie müssen ein glücklicher Mann sein“Oliver Stone zu Putin