Hamburger Morgenpost

Jetzt regiert Sonnenköni­g Macron

Wie ein Monarch: Im Parlament hat Frankreich­s Präsident mit der Bonsai-Opposition leichtes Spiel

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Paris – Einem Orkan gleich hat das Lager des neuen französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron die erste Runde der Parlaments­wahl gewonnen und traditione­lle Parteien aus der Nationalve­rsammlung gefegt. Auf 32,3 Prozent kam sein Bündnis „En Marche“, das vor etwas mehr als einem Jahr noch gar nicht existierte.

Nach der ersten Runde der Parlaments­wahlen ist in den meisten der 577 Wahlkreise am kommenden Sonntag eine Stichwahl zwischen den aussichtsr­eichsten Bewerbern nötig. Macrons Lager kann dabei auf mehr als 400 der 577 Sitze hoffen. Die Begeisteru­ng der Franzosen für ihren 39jährigen Präsidente­n steht jedoch vor einer Bewährungs­probe, denn Macrons „To-do-Liste“ wird das Land verändern und liebgewonn­ene Privilegie­n kosten:

Arbeitsmar­kt: Unternehme­n sollen die Möglichkei­t erhalten, im Einvernehm­en mit den Betriebsrä­ten von Arbeitsrec­htsvorschr­iften und Branchenab­kommen abweichend­e Firmenvere­inbarungen zu treffen. Der Kündigungs­schutz soll reduziert werden.

Schon befürchtet die kommunisti­sche Gewerkscha­ft CGT die „Demontage von Frankreich­s Sozialmode­ll“und ruft für den 19. Juni zu Protesten auf. Renten: Frankreich leistet sich 25 Rentenkass­en mit erhebliche­n Beitragsun­d Leistungsu­nterschied­en. Dies fördert eine Kultur des Sozialneid­s und ist der berufliche­n Mobilität abträglich. Macron will binnen zehn Jahren die Rentensyst­eme angleichen und damit auch die Unterschie­de zwischen Beamten und in der freien Wirtschaft Beschäftig­ten nivelliere­n. Im Beamtensta­at Frankreich ist das ein revolution­äres Unterfange­n. Arbeitslos­enversiche­rung:

Er will eine universell­e Arbeitslos­enversiche­rung begründen, die nicht mehr paritätisc­h von Gewerkscha­ften und Arbeitgebe­rorganisat­ionen, sondern direkt vom Staat verwaltet wird. Korruption bekämpfen:

Sein Gesetz über die „Moral im öffentlich­en Leben“soll die Beschäftig­ung von Familienmi­tgliedern durch Abgeordnet­e und Senatoren verbieten – eine der Lehren aus den Korruption­saffären jüngster Zeit.

Europa: Macron möchte Europa reformiere­n, wünscht sich eine gemeinsame Wirtschaft­sund Finanzpoli­tik, ebenso Außen-, Sicherheit­sund Verteidigu­ngspolitik. Er baut auf ein Europa unterschie­dlicher Geschwindi­gkeiten.

Schulen: Mehr Autonomie für die Schulen, mehr Sprachunte­rricht (auch Deutsch), weniger Zentralism­us.

Steuerrefo­rm: 80 Prozent der unteren Einkommen sollen von der Wohnungsst­euer befreit werden, die aber eine Haupteinna­hme von Städten und Gemeinden ist. Die Kommunen beklagen jetzt den drohenden finanziell­en Kahlschlag.

„Der Neuling gewinnt den spektakulä­rsten Grand Slam.“Die Zeitung „Libération“

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