Wie sicher sind Hamburgs Hochhäuser?
Verzweifelte Eltern werfen Kinder aus Fenstern. Schwerer Vorwurf: Schlamperei schuld an der Katastrophe. Was Hamburger Experten sagen
London – Flammendes Inferno in London: Ein verheerender Großbrand hat in der Nacht zu gestern ein 24-stöckiges Hochhaus im Westen der britischen Hauptstadt zerstört. Mindestens zwölf Menschen kamen ums Leben, 79 weitere wurden schwer verletzt in Krankenhäuser gebracht. Die Feuerwehr rechnet mit weiteren Toten. Bis zum Abend stand eine Rauchsäule über dem Stadtteil North Kensington.
Augenzeugen zufolge brach das Feuer um kurz vor ein Uhr nachts in einer Wohnung im vierten Stock aus. Als Ursache wird ein defekter Kühlschrank vermutet. Nach Angaben der Feuerwehr waren die ersten Einsatzkräfte binnen sechs Minuten am Brandort, wenig später wurde Großalarm ausgelöst.
In nur wenigen Minuten hatte sich das lokale Feuer mit rasender Geschwindigkeit im gesamten Grenfell Tower ausgebreitet. Offenbar trugen dazu schlecht geschützte Gasleitungen bei. Damit wurden sämtliche Anweisungen an die bis zu 600 Bewohner, sie sollten bei Wohnungsbränden in den eigenen vier Wänden verharren, hinfällig.
„Wenn wir uns daran gehalten hätten, wären wir jetzt tot“, berichtete der Mieter einer Wohnung im siebten Stock der BBC, nachdem er mit seiner Freundin und dem gemeinsamen Baby übers Treppenhaus ins Freie gerannt war.
Vor dem Haus stauten sich schon bald Hunderte von Schaulustigen sowie Freunde und Verwandte der Bewohner. Hilflos mussten sie einzelnen Tragödien zuschauen. Viele Bewohner machten mit Taschenlampen und ihren Mobiltelefonen auf sich aufmerksam, andere blieben über soziale Medien mit Außenstehenden in Kontakt. „Freunde, ich komm’ hier nicht raus“, lautete die SnapChatNachricht eines Mannes. Aus dem 23. Stock verabschiedete sich eine Bewohnerin per Video mit Bitten um Vergebung von ihrer Freundin am Boden. „Ich sah eine dreiköpfige Familie abwechselnd am Fenster erscheinen und Luft schöpfen. Nach und nach kamen sie nicht mehr“, so ein Augenzeuge beim TV-Sender Sky.
Mehrere Bewohner sollen ihre verzweifelte Flucht vor den Flammen durch den Sprung in die Tiefe, wo Feuerwehrleute Sprungtücher aufgespannt hatten, beendet haben. Unfassbar, was Samira Lamrani dem „Evening Standard“schilderte: „Eine Mutter warf ihren Säugling aus dem neunten oder zehnten Stock, ein Mann rannte unten los und fing ihn tatsächlich auf.“Der 17-jährige Tiago Etienne: „Ich sah Eltern, die warfen ihre Kinder aus dem 15. Stock. Sie waren vielleicht
zwischen vier und acht Jahren alt.“
Im Laufe des Tages wurden die wartende Menge und Hunderte von Anwohnern aus der Umgebung des Brandortes evakuiert. Mehr als 100 Polizisten sperrten den Grenfell Tower ab, um den eingesetzten 250 Feuerwehrleuten und rund 100 Ärzten und Sanitätern die Arbeit zu erleichtern. Einen solchen Brand habe sie „in 29 Jahren Arbeit bei der Feuerwehr noch nie gesehen“, teilte die Londoner Kommandantin Dany Cotton mit.
Der sichtlich erschütterte Bürgermeister Sadiq Khan
kündigte eine umfassende Klärung der Ereignisse an.
Das mehr als 40 Jahre alte kommunale Wohnhaus war erst im vergangenen Jahr für 9,8 Mio. Euro renoviert und dabei mit einer zusätzlichen Isolierungsschicht versehen worden. Eine Bewohnerinitiative berichtete von mehreren Versuchen, die Kommune sowie die beteiligten Baufirmen auf mögliche Brandrisiken hinzuweisen. Dazu gehörten der Mangel an Fluchtwegen sowie das Fehlen klaInstruktionen rer im Brandfall.
Offenbar könne „nur ein katastrophaler Zwischenfall“die Verwalvom tungsfirma, die Bezirk beauftragt wurde, zur Vernunft bringen, schrieben die Aktivisten im vergangeWeil nen November. das Hochhaus in der Nähe der Bahntrasse steht, wurde die U-Bahn-Linie Hammersmith & City gesperrt, die nahe Autobahn A40 war unbenutzbar.