Hamburger Morgenpost

Wie sicher sind Hamburgs Hochhäuser?

Verzweifel­te Eltern werfen Kinder aus Fenstern. Schwerer Vorwurf: Schlampere­i schuld an der Katastroph­e. Was Hamburger Experten sagen

- Von SEBASTIAN BORGER

London – Flammendes Inferno in London: Ein verheerend­er Großbrand hat in der Nacht zu gestern ein 24-stöckiges Hochhaus im Westen der britischen Hauptstadt zerstört. Mindestens zwölf Menschen kamen ums Leben, 79 weitere wurden schwer verletzt in Krankenhäu­ser gebracht. Die Feuerwehr rechnet mit weiteren Toten. Bis zum Abend stand eine Rauchsäule über dem Stadtteil North Kensington.

Augenzeuge­n zufolge brach das Feuer um kurz vor ein Uhr nachts in einer Wohnung im vierten Stock aus. Als Ursache wird ein defekter Kühlschran­k vermutet. Nach Angaben der Feuerwehr waren die ersten Einsatzkrä­fte binnen sechs Minuten am Brandort, wenig später wurde Großalarm ausgelöst.

In nur wenigen Minuten hatte sich das lokale Feuer mit rasender Geschwindi­gkeit im gesamten Grenfell Tower ausgebreit­et. Offenbar trugen dazu schlecht geschützte Gasleitung­en bei. Damit wurden sämtliche Anweisunge­n an die bis zu 600 Bewohner, sie sollten bei Wohnungsbr­änden in den eigenen vier Wänden verharren, hinfällig.

„Wenn wir uns daran gehalten hätten, wären wir jetzt tot“, berichtete der Mieter einer Wohnung im siebten Stock der BBC, nachdem er mit seiner Freundin und dem gemeinsame­n Baby übers Treppenhau­s ins Freie gerannt war.

Vor dem Haus stauten sich schon bald Hunderte von Schaulusti­gen sowie Freunde und Verwandte der Bewohner. Hilflos mussten sie einzelnen Tragödien zuschauen. Viele Bewohner machten mit Taschenlam­pen und ihren Mobiltelef­onen auf sich aufmerksam, andere blieben über soziale Medien mit Außenstehe­nden in Kontakt. „Freunde, ich komm’ hier nicht raus“, lautete die SnapChatNa­chricht eines Mannes. Aus dem 23. Stock verabschie­dete sich eine Bewohnerin per Video mit Bitten um Vergebung von ihrer Freundin am Boden. „Ich sah eine dreiköpfig­e Familie abwechseln­d am Fenster erscheinen und Luft schöpfen. Nach und nach kamen sie nicht mehr“, so ein Augenzeuge beim TV-Sender Sky.

Mehrere Bewohner sollen ihre verzweifel­te Flucht vor den Flammen durch den Sprung in die Tiefe, wo Feuerwehrl­eute Sprungtüch­er aufgespann­t hatten, beendet haben. Unfassbar, was Samira Lamrani dem „Evening Standard“schilderte: „Eine Mutter warf ihren Säugling aus dem neunten oder zehnten Stock, ein Mann rannte unten los und fing ihn tatsächlic­h auf.“Der 17-jährige Tiago Etienne: „Ich sah Eltern, die warfen ihre Kinder aus dem 15. Stock. Sie waren vielleicht

zwischen vier und acht Jahren alt.“

Im Laufe des Tages wurden die wartende Menge und Hunderte von Anwohnern aus der Umgebung des Brandortes evakuiert. Mehr als 100 Polizisten sperrten den Grenfell Tower ab, um den eingesetzt­en 250 Feuerwehrl­euten und rund 100 Ärzten und Sanitätern die Arbeit zu erleichter­n. Einen solchen Brand habe sie „in 29 Jahren Arbeit bei der Feuerwehr noch nie gesehen“, teilte die Londoner Kommandant­in Dany Cotton mit.

Der sichtlich erschütter­te Bürgermeis­ter Sadiq Khan

kündigte eine umfassende Klärung der Ereignisse an.

Das mehr als 40 Jahre alte kommunale Wohnhaus war erst im vergangene­n Jahr für 9,8 Mio. Euro renoviert und dabei mit einer zusätzlich­en Isolierung­sschicht versehen worden. Eine Bewohnerin­itiative berichtete von mehreren Versuchen, die Kommune sowie die beteiligte­n Baufirmen auf mögliche Brandrisik­en hinzuweise­n. Dazu gehörten der Mangel an Fluchtwege­n sowie das Fehlen klaInstruk­tionen rer im Brandfall.

Offenbar könne „nur ein katastroph­aler Zwischenfa­ll“die Verwalvom tungsfirma, die Bezirk beauftragt wurde, zur Vernunft bringen, schrieben die Aktivisten im vergangeWe­il nen November. das Hochhaus in der Nähe der Bahntrasse steht, wurde die U-Bahn-Linie Hammersmit­h & City gesperrt, die nahe Autobahn A40 war unbenutzba­r.

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Besorgte Anwohner sahen hinter der Absperrung dem Drama zu.
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Mit einer Atemschutz­maske versuchte diese Anwohnerin, sich vor dem beißenden Rauch zu schützen.
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Michael Paramasiva­n und seine Tochter Thea Kavanagh konnten sich ins Freie retten.

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