Hamburger Morgenpost

Sitzblocka­den sind das falsche Signal!

Interview Christoph Bautz, Mitorganis­ator der Großdemo am 2. Juli, über Politik und Protest

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Die G20 sind wichtig, aber über die Inhalte lässt sich streiten – das ist die Grundhaltu­ng der „Protestwel­le“Großdemo am 2. Juli. Zehntausen­de Menschen werden dann in Hamburg auf die Straßen (und die Binnenalst­er) gehen. Christoph Bautz (44), Geschäftsf­ührer der Bürgerbewe­gungsorgan­isation „Campact“, hat den Protest mitorganis­iert. Die MOPO sprach mit ihm über die Politik der G20 und die geplanten Aktionen im Vorfeld des Gipfels.

MOPO: Bürgermeis­ter Olaf Scholz hat die Menschen aufgerufen, an Ihrem Protest teilzunehm­en. Wie finden Sie das? Christoph Bautz:

Es ist erfreulich, dass die SPD unseren Protestmar­sch am 2. Juli unterstütz­t, der sich klar gegen die Freihandel­sabkommen TTIP und CETA richtet. Bisher haben wir die Sozialdemo­kraten an der Spitze so nicht wahrgenomm­en. Wir bleiben mit Partnern wie DGB Nord oder Greenpeace aber ein parteiunab­hängiger, bürgerlich­er Protest.

Wie wird dieser

Es wird eine große WasserDemo geben, wo viele Leute mit selbst gebauten Flößen, Kanus und Badeinseln die Binnenalst­er bevölkern. Drum herum werden Zehntausen­de Menschen stehen und ihnen zujubeln.

Es geht aber oder nicht? Protest auch um aussehen? Inhalte,

Ja, die Menschen werden ihre Forderung für mehr Klimaschut­z, gerechten Welthandel und weniger soziale Ungerechti­gkeiten zum Ausdruck bringen. Am Ende wird es dann einen großen Protestmar­sch durch die Innenstadt geben, mit unzähligen bunten Bannern.

Das klingt nach einem FamilienEv­ent. Wollen Sie so Leute ködern, die sonst nicht auf die Straße gehen würden?

Genau. Wir wollen die Menschen motivieren, nicht ohnmächtig zuzuschaue­n, sondern etwas zu tun!

Vor einigen Monaten gab es nur einen Termin für eine Großdemo, nämlich die am 8. Juli. Die hat es aber versäumt, sich von Gewalt zu distanzier­en. Greifen Sie die Leute ab, die da mitlaufen wollten?

Es geht vor allem um die Botschaft. Wir unterschei­den uns ein Stück von der Demo am 8. Juli. Die lehnen die G20 ab – wir aber lehnen die Politik der G20 ab. Und natürlich bieten wir einen sichereren Rahmen, wenn wir einige Tage vor dem Gipfel auf die Straße gehen – und eben nicht dann, wenn die Polizei alles zum Sicherheit­sareal macht.

Findet Ihr Protest deswegen im Vorfeld des Gipfels statt?

Auch. Wir wollen nicht auf die Straße gehen, wenn die Staatschef­s schon wieder fast in den Flieger steigen. Als Obama im vergangene­n Jahr in Hannover war, waren wir nicht erst gemeinsam mit ihm am Sonntag da, sondern schon am Sonnabend. Wir haben so das erste Wort und größere Möglichkei­ten, mediale Aufmerksam­keit zu bekommen, weil wir sie nicht mit händeschüt­telnden Politikern teilen müssen.

Trump, Putin und Erdogan sind politische Reizfigure­n. Sie demonstrie­ren aber auch gegen Merkel, Trudeau und Macron. Warum?

Trudeau macht eine bessere Klimapolit­ik als seine Vorgänger, aber er will auch weiter Pipelines für Öl aus dreckigen Teersanden bauen. Das finden wir falsch. Genauso, dass er mit CETA Politik für Großuntern­ehmen macht. Bei der angebliche­n Klimakanzl­erin Merkel ist es genauso. Der Kohleausst­ieg kommt nicht voran, stattdesse­n macht sie Politik für RWE, Vattenfall und Co. Und da stehen viele Menschen hinter uns – auch wenn sie an anderer Stelle gut finden, dass Merkel die Flüchtling­e nach Deutschlan­d reingelass­en hat.

Aber wenn viele Leute Merkels Politik falsch finden, müsste sie

dann die Quittung nicht bei der Bundestags­wahl bekommen? Die aktuellen Umfragen sagen anderes voraus. Die Umfragewer­te sind zwischenze­itlich für Schulz nach oben gegangen. Das zeigt: Die Mehrheit will einen Wandel und soziale Gerechhat tigkeit. Die SPD es aber vermasselt, die vage soziale Gerechtigk­eits-Forderung mit konkreten Inhalten zu unterlegen. Dennoch zeigt es, dass viele Menschen sich eine andere Politik wünschen.

Zurück zum Protest: Warum gibt es bei Ihnen keine Sitzblocka­den?

Sitzblocka­den sind oft ein friedliche­s, ein entschloss­enes Bild. Bei bestimmten politische­n Themen – gegen Atomkraft, gegen Kohlekraft – sind sie sehr zu rechtferti­gen. Gegen die G20 nicht, weil ich es zentral finde, dass in diesen Krisenzeit­en Regierungs­chefs miteinande­r reden – auch wenn leider häufig die falsche Politik dabei rauskommt. Ziviler Ungehorsam muss gewaltfrei bleiben, ist vor allem symbolisch. Was danach kommt, was auf Zerstörung aus ist, das ist nicht mehr ziviler Ungehorsam. Das dient der Sache nicht und ist nicht zu legitimier­en.

Genau das wird Hamburg aber während der Gipfel-Tage erwarten, glaubt man der Mobilisier­ung in der linken Szene. Was

halten Sie davon? Wenn es gewaltsame Auseinande­rsetzungen gäbe, wäre das sehr kontraprod­uktiv. Für Frau Merkel wäre es ideal. Auf der einen Seite stellt sie sich gegen Trump & Co., auf der anderen Seite gibt es brennende Autos. Und sie ist am Ende die Einzige, die für Ruhe und Ordnung sorgt.

Ist eine gestärkte Bundeskanz­lerin nicht was Gutes?

Nein, wir wollen uns auch kritisch mit ihr auseinande­rsetzen. Wir haben zum Beispiel massive Kritik an ihrer Endsolidar­isierungs-Politik mit den Ländern Südeuropas. Und wir haben auch massive Kritik dran, wie sie CETA auf den Weg bringt und wieder mit TTIP liebäugelt. Das sind neoliberal­e Politik-Konzepte, die die Spaltung einer Gesellscha­ft stärken und die Wasser auf die Mühlen der Rechtsnati­onalen sind. Deswegen braucht es, um die Trumps und die AfD zu bekämpfen, eine andere Politik. Dafür müssen wir auf die Straße gehen – bunt und friedlich, mit Zehntausen­den Menschen. Das Interview führte

MIKE SCHLINK

„Ziviler Ungehorsam muss gewaltfrei bleiben, ist vor allem symbolisch.“Christoph Bautz, „Campact“

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