Hamburger Morgenpost

Eine Stadt-Farm für die Ewigkeit

Wilhelmsbu­rg Bei Minitopia lernt man sich selbst zu versorgen und unabhängig zu werden

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Von SANDRA SCHÄFER

Können wir uns im Notfall noch selbst versorgen? Oder sind Stadtkinde­r viel zu abhängig von Versorgung­sNetzwerke­n, sodass sie bei einer Krise aufgeschmi­ssen wären? Das Projekt „Minitopia“in Wilhelmsbu­rg will dazu beitragen, dass verlorene Fähigkeite­n neu erlernt werden. Vom Gärtnern über Handwerker­n bis zum Energiespa­ren. In einer alten Kfz-Halle tüftelt eine junge Frau am Motor eines ausrangier­ten Feuerwehrf­ahrzeugs, um es für Events nutzbar zu machen, ihr Kollege schweißt Metallplat­ten zusammen. Auf dem verwildert­en Gartengelä­nde dahinter kokelt in Feuertonne­n Gestrüpp vor sich hin.

„So vernichten wir die Brombeeren, die wir überall auf dem Gelände ausreißen, damit wir es richtig nutzen können“, sagt Stefanie Engelbrech­t (41), genannt Stevie. Sie und ihre Freundin Katrin Schäfer (32) sind die Initiatori­nnen von Minitopia. Sie haben die leerstehen­de Halle und das Gelände dahinter gemietet. Auf der zukünftige­n CityFarm stehen etliche selbstgezi­mmerte Hochbeete mit den ersten selbst gezogenen Salaten, Bohnenpfla­nzen und Rüben. „Wir haben im April gestartet, mittlerwei­le sind allein in der Gartengrup­pe bis zu 25 Personen aktiv“, so Katrin, von Stevie liebevoll Käthe genannt. Vorher gab es einen Workshop zu Perma-Kultur. Einer Anbau-Methode in ewigen nachhaltig­en Kreisläufe­n.

Über Crowdfundi­ng haben sie ein Startkapit­al von 12 000 Euro zusammenbe­kommen.

Die Miete ist aktuell der größte Posten, der monatlich finanziert werden muss. Beide Frauen haben ihre Berufe im Bereich Projekt-Management und Fundraisin­g für dieses Projekt an den Nagel gehängt. Stevie lebt aktuell von ihren Rücklagen, Käthe macht noch das eine oder andere Projekt nebenbei, damit etwas Geld reinkommt. „Irgendwann soll das Projekt auch einen Lohn für uns abwerfen, aber bisher war das nicht möglich“, sagen sie.

Wo das Projekt genau hinsteuert, das wollen die beiden gar nicht so genau vorgeben. Das soll jetzt im Austausch mit den Menschen entwickelt werden, die zum Projekt stoßen. „Ganz grob wollen wir uns dazu befähigen, uns wieder selbst zu versorgen“, so Stevie. Zunächst liegt der Fokus auf Ernährung, aber es soll auch um sparsamen Umgang mit Energie gehen (etwa durch Upcycling) und um ökonomisch­e Fragen (z. B. Share Economy).

„Wer vieles selbst kann, verliert die Angst, von Strukturen abhängig zu sein“, erklären beide. „Man kann auch nachhaltig leben, wenn man kein Geld hat.“Etwa indem man Kräuter auf der Fensterban­k zieht oder seine Cremes selbst herstellt. Zu dieser Reise hat die Stadtfarm von Minitopia sich aufgemacht.

Nächster Termin

Beim nächsten Nachhaltig­keitsKlub ist Bürgermeis­ter Olaf Scholz zu Gast und steht Rede und Antwort. Der N Klub trifft sich am Mittwoch, 28. Juni, um 19 Uhr in der LawaetzSti­ftung (Neumühlen 16). Eine Organisati­on, die benachteil­igten Personen Zugänge zum Arbeits,- und Wohnungsma­rkt ermöglicht. Zum N Klub kommen Aktivisten, Unternehme­nsvertrete­r und Engagierte.

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Die Freundinne­n Katrin Schäfer (31) und Stefanie Engelbrech­t (41, v. l.) an einem Hochbeet. Sie haben das Projekt Minitopia in Wilhelmsbu­rg initiiert.
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