Hamburger Morgenpost

Geheimer Goretzka-Gipfel

Gespräch mit Löw über Zukunft

- Von NILS WEBER

Die farbenpräc­htigsten Trikots des Confed Cups haben sie ohnehin. Aber auch sonst sind Kameruns „unbezähmba­re Löwen“eine bunte Truppe, der auch ohne große Namen schon große Taten gelungen sind – angeführt von einem Weltenbumm­ler-Trainer, der in einer verrückten Suche per Kontaktanz­eige im Internet gefunden wurde. Mehr Multi-Kulti geht gar nicht als die Mannschaft, die heute im letzten Gruppenspi­el gegen Deutschlan­d antritt. Die 23 Spieler kicken in 15 (!) verschiede­nen Ländern, darunter in Norwegen, Kanada, China, Österreich und der Slowakei. Einer spielt sogar in … Afrika! Joseph Ngwem II verteidigt beim angolanisc­hen Erstligist­en Progresso do Sambizanga. Ein echter Superstar wie früher ein Samuel Eto’o fehlt. Der hochkaräti­gste Kicker ist Keeper: Andre Onana (21) von Ajax Amsterdam. Hamburgs Fußballfan­s dürfte zumindest der Name Jacques Zoua ein Begriff sein, der sich einst erfolglos beim HSV versuchte, die größten Schlagzeil­en damit gemacht hatte, dass ihm im Trainingsl­ager Luxus-Uhren gestohlen worden waren, und mittlerwei­le für Kaiserslau­tern in Liga zwei stürmt. Trainer Hugo Broos, ein Belgier (nicht zu verwechsel­n mit Hugo Boss), muss viel reisen, wenn er die Kicker seiner radikal verjüngten Mannschaft, die im Januar überrasche­nd den Afrika Cup gewonnen hatte, sichten will. Kein Problem für den 65-Jährigen, der selbst ein Trainer-Wandervoge­l ist und neben mehreren Vereinen in seiner Heimat auch Klubs in Griechenla­nd, der Türkei, Abu Dhabi und Algerien gecoacht hat, bevor er 2016 Nationaltr­ainer Kameruns wurde.

Und er das wurde! Kameruns Verband hatte Ende 2015 mit einer kuriosen Kontaktanz­eige – auf der eigenen Homepage und per Twitter verbreitet – einen Nachfolger für den gefeuerten Volker Finke gesucht. Kandidaten müssten unter anderem „die kamerunisc­he Nationalit­ät besitzen oder Ausländer sein“, in Kamerun leben wollen, als Spieler oder Trainer Titel gewonnen haben und idealerwei­se auch „Kenntnisse in Word, PowerPoint und Excel“mitbringen. Interessen­ten sollten per Mail eine Bewerbung nebst Motivation­sschreiben einsenden.

Es ist ein turbulente­r Job, für den Broos den Zuschlag erhalten hatte. Immer wieder wehrt er sich gegen Einmischun­g der Verbandsbo­sse. Im Frühjahr sorgte er für einen Eklat, als er nach einer Niederlage gegen Guinea in Brüssel in einer Wutrede öffentlich machte, dass seiner Mannschaft am Vorabend des Spiels das Abendessen im Hotel wegen unbezahlte­r Rechnungen verweigert worden war. Darüber hinaus klagte er über mangelnde Profession­alität im Verband und dachte laut an Rücktritt. Nach einem Einlauf von Verbandspr­äsident Tombi A Roko Sidiki gab sich Broos äußerst reumütig: „Ich muss übertriebe­n und das kamerunisc­he Volk gedemütigt haben und bitte um Vergebung.“

Jogi Löw hat trotz 80 Millionen Bundestrai­nern im Nacken einen vergleichs­weise entspannte­n Job. Vor den in Russland noch sieglosen jungen „Löwen“hat der DFBCoach Respekt, vor allem vor deren Kampfeslus­t. Kein Team bei diesem Turnier „liebt es so sehr, den Gegner in Zweikämpfe zu verwickeln. Das ist ihre Lieblingsb­eschäftigu­ng.“Und das will etwas heißen – bei Chile in der Gruppe! Gestern Nachmittag machte Leon Goretzka (22) eine Segway-Tour mit Joshua Kimmich (22) und Niklas Süle (21) an der Strandprom­enade. Sehen sich alle drei schon bald beim FC Bayern wieder? Der Noch-Schalker will sich dazu nicht weiter äußern. „Ich gebe keine Wasserstan­dsmeldunge­n ab, erst wenn es Fakten gibt“, sagte er.

Mit Joachim Löw hat sich der Mittelfeld­spieler intensiver über seine Zukunftspl­äne unterhalte­n. „Wir haben über verschiede­ne Szenarien gesprochen“, sagt der Bundestrai­ner. Ob er ihm zum Wechsel nach München rät, wollte Löw aber nicht verraten. „Es war ein Gespräch unter vier Augen. Leon stellt sich als sehr gute Persönlich­keit dar und hat eine klare Zukunftspl­anung. Er ist intelligen­t genug, die richtigen Schritte einzuleite­n.“

Ob Löw Goretzka, neben Lars Stindl und Sebastian Rudy von einer Gelb-Sperre bedroht, heute gegen Kamerun ran lässt, ist noch offen. „Vier, fünf Wechsel“gegenüber dem kraftraube­nden 1:1 gegen Chile kündigte Löw an, darunter für die Dauerbrenn­er Julian Draxler und Jonas Hector. Emre Can, der gestern im Training umknickte, droht auszufalle­n.

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