Hamburger Morgenpost

Der Methusalem-Mafioso

John „Sonny“Franzese wurde mit 100 Jahren aus dem Knast entlassen

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Devens – Als er in den Knast ging, war Lyndon B. Johnson Präsident der Vereinigte­n Staaten, Elvis heiratete in Las Vegas seine Priscilla und die Amerikaner waren noch nicht auf dem Mond. Es war das Jahr 1967, als Maf oso John „Sonny“Franzese wegen Bankraubs einfuhr. Jetzt, 50 Jahre später, wurde der Methusalem-Maf oso mit 100 Jahren begnadigt und entlassen. Er überlebte drei Mitangekla­gte, seinen Anwalt und den Richter, der ihn 1967 verurteilt­e.

„Sonny“wurde am 6. Februar 1917 in Neapel geboren. Kurze Zeit später wanderten seine Eltern Carmine Franzese und Maria Corvola nach Amerika aus. Der junge Italiener wuchs in New York auf und schloss sich in den späten 1930er Jahren dem Profaci-Clan an. Er soll als „Unterboss“der Colombo-Familie – einer der fünf New Yorker Mafia-Familien – 50 Menschen auf dem Gewissen haben.

Kein Mord konnte ihm je nachgewies­en werden. Angeblich, weil er die Leichen verschwind­en ließ. Wie er das machte, erzählte er 2006 in einem vom FBI abgehörten Gespräch. Franzese zerteilte die Toten in einem Kinder-Planschbec­ken, trocknete die Leichentei­le in der Mikrowelle aus und zerkleiner­te sie später im Müllschred­der.

„Ich habe viele Typen getötet. Wir reden hier nicht über vier, fünf, sechs, zehn Fälle“, soll Franzese einmal gesagt haben. Einer seiner Söhne, John jr., sagte als FBI-Informant in einem Prozess gegen den eigenen Vater aus. Nun lebt er undercover in einem Zeugenschu­tzprogramm, erzählt sein Bruder Michael der „New York Daily News“. Und er packt weiter aus: „Mein Vater war kein Engel. Keiner würde sagen, dass er nicht zur Mafia gehörte. Er war ein Teil von ihr.“

Doch nicht nur Mord wurde Franzese vorgeworfe­n, sondern auch Erpressung, Betrug, Raub, Kreditwuch­er und Dro enhandel. Der Kriminelle liebte auch den Glamour. Er wurde oft mit Prominente­n wie Boxchampio­n Jake LaMotta, Sammy Davis jr. und Frank Sinatra an der mexikanisc­hen Copacabana gesehen.

Von den 50 Jahren Haft verbrachte er tatsächlic­h aber nur 35 Jahre hinter Gittern, da er sechs Mal auf Bewährung entlassen wurde. Zuletzt kam er 2010 auf freien Fuß, wurde aber wieder verhaftet, da er mit 93 Jahren (!) Strip-Klubs und eine Pizzeria im Staat New York erpresst hatte.

Der Richter schickte ihn zurück in den Knast. Wenn er sich „benimmt“, riet er ihm damals, könnte er noch vor seinem 100. entlassen werden. „Sonny“benahm sich und stellte 2016 einen Antrag auf Begnadigun­g und vorzeitige Haftentlas­sung aus dem Gefängnisk­rankenhaus in Devens (US-Bundesstaa­t Massachuse­tts). Er habe „nur noch wenig verbleiben­de Zeit“und würde seine letzten Tage gern mit seinen acht Kindern, 18 Enkeln und sechs Urenkeln verbringen, schrieb er. „Ich bin keine Gefahr mehr für die Allgemeinh­eit.“

Am Freitag trat „Sonny“vermutlich seinen letzten Weg in die Freiheit an. Der Hundertjäh­rige verließ die Haftanstal­t Devens im Rollstuhl, berichtete „Newsday“. Laut Medienberi­chten soll Franzese gebrechlic­h sein, aber noch „schnell im Kopf“und immer für einen Scherz zu haben. Er galt als der älteste Häftling in den US-Bundesgefä­ngnissen.

Nach seiner Entlassung wird Franzese bei seiner Tochter in Brooklyn wohnen. Seine Ehefrau hatte sich trotz seiner Taten immer wieder für seine Freilassun ein esetzt. Cristina erlebte die Rückkehr ihres Mannes nicht mehr – sie starb bereits 2012.

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„ t „Sonny“kurz nach seiner Entlassung. .

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