Jetzt gibt es den ganzen Janßen
St. Paulis neuer Chef-Coach bastelt an seinem Profil „Lienen zu kopieren, wäre ein schlechter Ratgeber“
Vor exakt einer Woche trat Olaf Janßen seinen Dienst als Cheftrainer mit den Worten an, den ganzen Menschen Olaf Janßen habe man beim FC St. Pauli noch nicht sehen können. Auch wenn es natürlich noch viel zu früh ist, grundsätzliche Entwicklungstendenzen ausmachen zu können: Mit jedem weiteren Tag wird das Bild des neuen Coaches kompletter. Und es unterscheidet sich naturgemäß in mehreren Punkten vom alten, unvollständigen ebenso wie von dem seines omnipräsenten Vorgängers Ewald Lienen.
Planung und Durchführung der Einheiten: Der eigens von St. Pauli kreierte Begriff „TPZ“(Treffpunktzeit) hat mehr oder minder ausgedient. Wird jetzt eine Einheit offiziell für 10 Uhr angesetzt, so sind die Protagonisten tatsächlich um 10 Uhr auf dem Platz. Zuvor mussten Trainingsbeobachter mitunter Zeit und Geduld mitbringen, weil 10 Uhr TPZ auch mal 11.30 Uhr Trainingsbeginn bedeuten konnte. Zudem verlegte Lienen die Einheiten teils spontan, während Janßen die Planung für die kommenden Tage weitestgehend frühzeitig festzurrt.
Analyse der Einheiten: Seit kurzem ist hinter dem linken Tor des zweiten Rasenplatzes an der Kollaustraße ein Beobachtungsturm installiert. Teile der Einheiten, vor allem Spielformen, werden von dort aus via Kamera mitgeschnitten, was dem Trainer noch mehr Details liefert und dadurch die Verbesserung einzelner Spieler oder ganzer Mannschaftsteile erleichtert. Janßens Rolle: Seinen Job der Vorsaison haben die neuen Assistenten Markus Gellhaus und Patrick Glöckner übernommen. Janßen („Anders als die CoTrainer muss der Cheftrainer das große Ganze im Blick haben“) hat sich mehr in die Beobachterposition begeben, richtet in den Pausen aber oft das Wort an seine Schützlinge. Janßens Außendarstellung: Als Assistent von Lienen hatte sich der 50-Jährige komplett aufs Sportliche konzentriert und die Öffentlichkeit weitestgehend gemieden. Was zur Annahme Anlass gab, Janßen wäre den kommunikativen Aufgaben eines Cheftrainers unter Umständen nicht gewachsen. Ein Trugschluss, das ist jetzt schon offenkundig. Der ExProfi zeigt sich als offener Mensch mit Profil, Humor und angenehmer Geradlinigkeit, der nicht so sein will und muss wie sein Vorgänger („Ewald Lienen zu kopieren, wäre ein schlechter Ratgeber“), um schließlich Akzeptanz zu erfahren. Als dann ganzer Olaf Janßen.