Hamburger Morgenpost

Zeitbombe Altersarmu­t

2036 werden 20 Prozent aller Neu-Rentner bedürftig sein – vor allem Frauen

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Berlin – Altersarmu­t – gefühlt sind immer mehr Menschen davon betroffen. Doch jetzt gibt es offiziell Zahlen der Bertelsman­n-Stiftung, die verdeutlic­hen: Das deutsche Rentensyst­em ist eine tickende Zeitbombe. Betroffen werden vor allem Neu-Rentner sein, die zwei Eigenschaf­ten haben: weiblich und alleinsteh­end. Dazu die wichtigste­n Fragen:

Was ist die Kernaussag­e der Studie, die gestern in Gütersloh vorgestell­t wurde? Das Risiko der Altersarmu­t steigt bis 2036 auf 20 Prozent. Derzeit betrifft Altersarmu­t 16 Prozent der Rentner. Damit wäre zukünftig jeder fünfte deutsche Neu-Ruheständl­er ab 67 Jahren von Altersarmu­t bedroht.

Was heißt das für die Gesellscha­ft? Dass die Grundsiche­rungsquote steigt. Bis zum Jahr 2036 könnten dann sieben Prozent der Neurentner auf staatliche Unterstütz­ung angewiesen sein, heißt es. 2015 waren es 5,4 Prozent. Als armutsgefä­hrdet gelten laut Studie Rentner mit einem monatliche­n Netto-Einkommen unter 958 Euro. Wer ist am stärksten von Altersarmu­t betroffen? Alleinsteh­ende Frauen, Menschen ohne Berufsausb­ildung und Langzeitar­beitslose. Was sind die Ursachen für die steigende Altersarmu­t? Einerseits die Zunahme von Unterbrech­ungen im Arbeitsleb­en, zweitens die unsicheren Beschäftig­ungsverhäl­tnisse im Niedrigloh­nsektor.

Stellen sich die politische­n Parteien dieser Herausford­erung? Unzureiche­nd. Viele der derzeit diskutiert­en Reformvors­chläge

könnten den Trend steigender Altersarmu­t nicht umkehren, erklären die Autoren der Studie der Bertelsman­n-Stiftung. „Es gibt aus unserer Sicht bis 2030 keine Notwendigk­eit, das Rentensyst­em jetzt wieder zu verändern“, hatte Angela Merkel vergangene Woche auf dem Industriet­ag in Berlin gesagt.

SPD-Kanzlerkan­didat

„Nicht notwendig, das Rentensyst­em zu verändern.“Angela Merkel

Martin Schulz kündigte jüngst an, bei einem Wahlsieg die Solidarren­te für alle, die 35 Jahre und länger gearbeitet haben, als Maßnahme gegen drohende Altersarmu­t einzuführe­n – mit einem Niveau von garantiert zehn Prozent über der Grundsiche­rung. Was müssten Reformen leisten? Reformen müssten stärker a) die Risikogrup­pen, b) die veränderte­n Erwerbsbio­grafien und c) die Situation an den Kapitalmär­kten in den Blick nehmen. Nötig seien flexiblere und sichere Übergänge im Erwerbsver­lauf sowie eine verbessert­e Arbeitsmar­ktintegrat­ion für Risikogrup­pen. Zugleich müsse das Alterssich­erungssyst­em weniger krisenanfä­llig gestaltet werden.

Ist mehr private Vorsorge, wie die Bundesregi­erung in ihrem Alterssich­erungsberi­cht 2016 forderte, die Lösung? Nach Ansicht der Autoren der Studie

reicht das bei Weitem nicht aus. Wichtiger wäre die bessere Integratio­n der Risikogrup­pen in den ersten Arbeitsmar­kt.

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Eine bedürftige alte Frau sitzt im Hof des Franziskan­erKlosters im Berliner Stadtbezir­k Pankow und isst einen Eintopf.

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