Hamburger Morgenpost

Ja, ich war’s, aber ich weiß nicht mehr, was war

Swetoslaw S. räumt die Tat ein, sagt aber, er könne sich nicht daran erinnern

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Berlin – Mit einer Bierflasch­e in der Hand tritt der junge Mann der Frau auf der Treppe unvermitte­lt in den Rücken – einfach so. Acht Monate später gesteht der mutmaßlich­e Angreifer vor Gericht, beruft sich aber auf Erinnerung­slücken.

Swetoslaw S. blickt starr zu Boden, als sein Verteidige­r das Geständnis verliest: „Ich räume ein, dass ich die Frau die Treppe hinunterge­treten habe.“Angeblich kann er sich an die Tat aber nicht erinnern. Er sei später auf veröffentl­ichte Bilder aufmerksam gemacht worden. „Ich fand das, was ich gesehen habe, selbst grauenhaft.“Wie es dazu kam? Warum es gerade diese Frau traf? Darauf hat der 28-Jährige am Montag zu Beginn des Prozesses um die brutale Attacke gegen eine arglose Passantin in einem Berliner U-Bahnhof keine Antworten. Die Anklage lautet auf gefährlich­e Körperverl­etzung, dem 28Jährigen drohen bis zu zehn Jahre Haft.

Er bleibt auch regungslos, als die Videoseque­nzen vom U-Bahnhof Hermannstr­aße in Berlin-Neukölln im Saal 700 des Landgerich­ts der Hauptstadt gezeigt werden. Ein junger Mann mit Bierflasch­e in der Hand ist zu sehen, mehrere Begleiter in seiner Nähe. Unvermitte­lt läuft er einer Frau hinterher, die sich gerade auf der Treppe befindet – und tritt zu. Zwischen die Schulterbl­ätter. Sie stürzt mit dem Gesicht voran die Stufen herunter. Die damals 26-Jährige erleidet einen Armbruch und eine Platzwunde am Kopf. Sie ist im Prozess Nebenkläge­rin. Voraussich­tlich am kommenden Donnerstag wird sie persönlich erscheinen.

Der angeklagte Bulgare erklärt, obwohl er keine Erinnerung an die Tat habe, wolle er sich „ausdrückli­ch bei der Geschädigt­en entschuldi­gen“. Er habe seinerzeit Alkohol und Drogen konsumiert, außerdem habe sich bei ihm Frust nach einem Streit mit einem Bruder und seiner Frau aufgestaut.

Als die Polizei einige Wochen nach dem brutalen Angriff Aufnahmen der Überwachun­gskameras veröffentl­ichte, kam Bewegung in das Verfahren. Der 28-Jährige wurde vor sechs Monaten in Berlin verhaftet, als er auf dem Zentralen Omnibusbah­nhof aus Frankreich ankam. Ihm werden in dem Prozess außerdem zwei exhibition­istische Handlungen zur Last gelegt. Zwei Wochen vor der Attacke im U-Bahnhof soll er sich vor Passantinn­en entblößt haben. Zu diesem Vorwurf schweigt er.

Der Bauhelfer war mit seinen drei Brüdern und einem Neffen unterwegs, als es zu dem Angriff kam. Auch der mit 18 Jahren jüngste Bruder berief sich als zweiter Zeuge auf fehlende Erinnerung­en: „Wir waren besoffen. Als wir das Video sahen, waren wir alle schockiert.“

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Swetoslaw S. vor Gericht (gr. F.). Eine Überwachun­gskamera filmte die brutale Attacke im Oktober 2016.

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