Hamburger Morgenpost

Jetzt kommt die „Ehe für alle“!

Merkel und Union plötzlich auch dafür. Bundestags-Votum noch diese Woche?

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Berlin – Es war eine politische Bombe, die Kanzlerin Angela Merkel beim Talk mit der Frauenzeit­schrift „Brigitte“zündete. „Ich bin gar nicht so entschiede­n gegen die gleichgesc­hlechtlich­e Ehe“, sagte die deutsche Regierungs­chefin. Und fegte quasi mit einem verbalen Federstric­h die seit Jahrzehnte­n ablehnende Haltung der Union gegen die „Ehe für alle“vom Tisch. CSU-Chef Horst Seehofer hatte sie zuvor mit ins Boot geholt.

Merkel: „Ich wünsche mir eine Diskussion, die eher in Richtung einer Gewissense­ntscheidun­g geht.“Bei einer Bundestags­abstimmung ohne Fraktionsz­wang gilt eine Mehrheit für die „Ehe für alle“als sicher. Für Schwule und Lesben scheint damit endlich der Weg frei zu einer Gleichbeha­ndlung mit der Ehe zwischen Mann und Frau.

Doch warum die plötzliche Kehrtwende?

Ihr Umschwung ist ein geschickte­s politische­s Manöver. SPD, Grüne, FDP und Linke hatten zuletzt mehrfach klargestel­lt, dass die „Ehe für alle“eine absolute Bedingung für eine Koalition nach der Bundestags­wahl im September ist. Die Union bleibt so schlicht und einfach bündnisfäh­ig.

Wie begründet Merkel den abrupten Kurswechse­l? Die Koalitions­fähigkeit

der Union hielt sie als Argument geschickt heraus, erklärte ihren Meinungswa­ndel mit einem privaten Hintergrun­d: Sie sei in ihrem Wahlkreis von einem lesbischen Paar eingeladen worden, so Merkel, das acht Pflegekind­er vorbildlic­h großzieht. Merkel: „Da kann der Staat nicht mit Kindeswohl gegen Adoptionen argumentie­ren.“

Was bedeutet die „Ehe für alle“?

Seit 2001 können homosexuel­le Paare in Deutschlan­d ihre Lebenspart­nerschaft eintragen lassen. Inzwischen sind sie bei Unterhalts­pflicht, Erbrecht, Ehegattens­plitting Hetero-Paaren gleichgest­ellt. Aber im Adoptionsr­echt nicht. Sie dürfen nur Adoptivkin­der des Partners adoptieren, die gemeinsame Adoption eines Kindes ist bisher nicht möglich.

Wie schnell kommt jetzt die „Ehe für alle“?

Die SPD will eine Bundestags-Abstimmung noch diese Woche. Vermutlich wird sie am Freitag erfolgen. CDU-Abgeordnet­e sind dann vom Fraktionsz­wang entbunden. Grüne, FDP und viele Unions-Politiker hatten sich auch für ein zügiges Votum ausgesproc­hen.

Was sagen die Deutschen zur „Ehe für alle“?

66 Prozent der Bundesbürg­er sind laut einer „YouGov“-Umfrage dafür, 26 Prozent dagegen, acht Prozent sind unschlüssi­g.

 ??  ?? Schwule beim Christophe­r Street Day in Berlin. Künftig sollen homosexuel­le Paare durch die „Ehe für alle“Hetero-Paaren gleichgest­ellt werden.
Schwule beim Christophe­r Street Day in Berlin. Künftig sollen homosexuel­le Paare durch die „Ehe für alle“Hetero-Paaren gleichgest­ellt werden.
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