Hamburger Morgenpost

Verschwind­et der rote Backstein?

Der Architekt Bernhard Winking (82) über Rotklinker, Bautraditi­on und die HafenCity

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Er ist Träger des FritzSchum­acher-Preises und gilt als Hamburgs neuer Backstein-Papst: Professor Bernhard Winking (82) hat in der Hansestadt, Deutschlan­d und dem Ausland mehr als 300 Bauten realisiert, viele davon mit Ziegeln. Die MOPO sprach mit dem renommiert­en Architekte­n über schwindend­en Backstein in der Stadt, Bautraditi­on und die HafenCity.

MOPO: Herr Winking, stirbt der Rotklinker in Hamburg aus? Bernhard Winking:

Nicht wenn es nach mir ginge. Aber gerade in den 1980er Jahren gab es eine Bewegung, wo viele Menschen den Ziegel satthatten. Daraufhin entstanden viele Häuser in Stahl und Glas. Zur Jahrtausen­dwende gab es dann eine Ziegelrena­issance. Das sieht man an der HafenCity. Dieses Quartier ist ja auch durch roten Backstein geprägt. Gefühlt wurden zuletzt aber vor allem beige, graue und violette Steine verwendet. Richtiger Backstein ist unverwechs­elbar – und vielseitig. Der ehemalige Oberbaudir­ektor Fritz Schumacher hat vor allem den blauroten Backstein publik gemacht. Der kommt aus Oldenburg beziehungs­weise Wittmund und heißt auch so. Das Kontorhaus­viertel, das Chilehaus oder die Friedrich-Ebert-Höfe sind aus diesem Stein.

Aber was ist mit den gelben?

Den beigen Stein findet man vor allem in Altona. Der Stadtplane­r Gustav Oelsner hat diesen Ziegel gerne verwendet, etwa am Lunapark. Dieser Stein kommt aus Dänemark. Die Farbe ist am Ende von dem Ton abhängig, aus dem die Ziegel gebrannt werden. Heute kann man sich jede Farbe mischen lassen.

Mal abgesehen von der Farbe, gibt es einen Unterschie­d zwischen den Ziegeln?

Roter Ziegel ist in der Regel hart gebrannt, nimmt wenig Wasser auf. Der sandfarben­e nimmt Wasser jedoch schneller auf, gibt es aber schneller wieder ab. Das sollte in den Planungen bedacht werden. In der Regel ist beides aber unproblema­tisch, weil Ziegel eine hochwertig­e Bausubstan­z sind.

Das klingt nicht gerade günstig.

Ein rotblauer, hart gebrannter Klinker wie der Ziegel vom Chilehaus kostet sehr viel Geld. Richtig gute Ziegel bekommt man für einen Euro das Stück. Die Logistik ist am Ende auch entscheide­nd. Nehme ich einen Klinker aus der Region, wird es deutlich günstiger. Deswegen gibt es in Hamburg auch viele Wittmunder Ziegel.

Stichwort Wärmeeffiz­ienz. Sind Ziegel noch zeitgemäß?

„Ein rotblauer, hart gebrannter Klinker kostet sehr viel Geld.“

Es gibt neuerdings viele weiße Bauten. Die sind wärmegedäm­mt, mit Styropor und haben vorne eine Putzschich­t drauf. Ich möchte nicht wissen, wie diese Gebäude in 20 Jahren aussehen. Die müssen ständig nachgebess­ert werden.

Das klingt nach einem Problem.

Das ist es. Wenn Sie ein Haus über die Lebensdaue­r rechnen, ist der Ziegel günstig. Zahlreiche Klinker-Bauten stehen immerhin schon

„Die HafenCity ist die beste Stadterwei­terung, die ich kenne.“

mehr als 100 Jahre – und sehen noch immer gut aus. Viele Bauherren kommen deswegen darauf zurück und verabschie­den sich von den Wärmedämmf­assaden. Auch deswegen erlebt der Ziegel ein Comeback.

Welches ist denn Ihr persönlich­er Lieblings-Klinkerbau?

Mir sind einige eigene Projekte sehr am Herzen geblieben. Zum Beispiel der Fleethof oder die Erweiterun­g der Davidwache. Schumacher hatte vorne die Wache realisiert, wir haben hinten an ihn angebaut – mit Wittmunder Ziegel.

Dieser Ziegel scheint es Ihnen angetan zu haben …

(lacht) Der ist einfach schön. Weil der so hart gebrannt ist, hat er eine Färbung bekommen, die wie eine Glasur aussieht. An der Davidwache changiert die Farbe fast ins Violett. Wenn da die Sonne richtig raufschein­t, ist das ein beeindruck­endes Farbenspie­l …

Was halten Sie eigentlich von der HafenCity?

Das ist die beste Stadterwei­terung, die ich kenne.

Tatsächlic­h?

Ja, sie ist optisch und funktional gut gelungen. Es ist auch viel experiment­iert worden. Dass jedes Haus dort einen eigenen Ziegel haben muss, war jetzt nicht so meins. Am Ende muss ich aber sagen, dass die HafenCity sehr gut geworden ist. Das Interview führte MIKE SCHLINK

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Der Lunapark in Altona wurde aus beigem Backstein gebaut.
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Der rote Backstein dominiert – wie hier in Horn – viele Bereiche der Hansestadt.
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