Rubys Kampf gegen Kinderdemenz
16-Jährige aus St. Pauli leidet an unheilbarer Krankheit. HanseMerkur Preis für Kinderschutz für die NCL-Stiftung
Die Bilder zeigen fröhliche Szenen aus Rubys Kindheit. Ruby als Katze verkleidet. Ruby mit Roller. Ruby und ihr Kaufmannsladen. Rückblickend war es für ihre Mutter Lilly von Czettritz eine unbeschwerte Zeit. Denn ihre heute 16-jährige Tochter ist an Kinderdemenz erkrankt. Eine unheilbare Krankheit, für deren Erforschung sich die Hamburger NCL-Stiftung einsetzt. Gestern wurde die Stiftung dafür mit dem HanseMerkur Preis für Kinderschutz ausgezeichnet.
Als Ruby klein war, war alles ganz normal. Sie war ein gesundes Mädchen, das gern malte und spielte. Das Tückische an der Stoffwechselkrankheit Neuronale Ceroid Lipofuszinose (NCL) ist, dass sie meist erst in der Schulzeit auftritt – und dann zunächst nicht erkannt wird. Die ersten Anzeichen sind harmlos.
„Ruby konnte plötzlich nicht mehr so gut gucken“, erinnert sich Lilly von Czettritz. Die Mutter ging mit dem Mädchen zum Augenarzt, wo es eine Brille bekam. Damit schien die Sache erledigt. „Doch die Brille brachte gar nichts“, erzählt von Czettritz.
„Ruby konnte plötzlich nicht mehr so gut gucken.“Mutter Lilly von Czettritz
Der Augenarzt stellte fest, dass sich die Netzhaut abbaute. Ursache unklar. Eine Odyssee begann. Mutter und Tochter liefen von Arzt zu Arzt, fuhren von Stadt zu Stadt und landeten irgendwann an der Berliner Charité. Dort hatte ein Arzt einen schlimmen Verdacht, der sich bei einem Bluttest bestätigte: NCL.
„Es war sehr schockierend“, sagt Lilly von Czettritz. NCL ist ein Gendefekt, der für das zunehmende Absterben von Nervenzellen sorgt. Es ist ein schleichender Degenerationsprozess, der dazu führt, dass schrittweise alle geistigen und körperlichen Fähigkeiten sowie
das Augenlicht verloren gehen. Am Ende steht der Tod.
Lilly von Czettritz will über solche Zukunftsszenarien nicht sprechen. Für die Grafikerin aus St. Pauli zählt nur das Jetzt. „Ich mache keine Prognosen. Es gibt viele unterschiedliche Verläufe.“ So musste Ruby zwar die Regelschule verlassen, doch auf der heilpädagogischen Waldorfschule kommt sie gut zurecht. Sie ist inzwischen völlig erblindet, motorisch aber (noch) nicht eingeschränkt. „Sie schwimmt gern“, erzählt die Mutter. „Und sie liebt es, zu singen.“
Allerdings deuten erste Gedächtnisschwierigkeiten und Probleme beim Rechnen auf die voranschreitende Krankheit hin. Lilly von Czettritz ist diesem Prozess machtlos ausgeliefert. Und doch hat sie den Kampf gegen die Krankheit aufgenommen, an der in Deutschland 700 Kinder, weltweit etwa 70 000 leiden.
Von Czettritz spricht vor Medizin-Studenten, damit diese später als Ärzte erste Anzeichen besser deuten können. Und sie engagiert sich für die in Hamburg von einem ebenfalls betroffenen Vater gegründete NCL-Stiftung, die sich der Erforschung der Kinderdemenz verschrieben hat. Ziel ist, die Stoffwechselstörung irgendwann heilbar zu machen. Von Czettritz: „Das ist meine größte Hoffnung.“