Wuppertaler Hochhaus: Alle müssen raus!
Bauministerin kündigt landesweite GebäudeÜberprüfung an
Wuppertal – Nach der Halsüber-Kopf-Evakuierung eines Wohnhochhauses in Wuppertal-Wichlinghausen am Montagnachmittag konnten die Bewohner gestern wieder zurückkehren. Allerdings nur kurz und in Begleitung. Sie durften persönliche Gegenstände aus ihren Wohnungen holen, die vielleicht wochenlang unbewohnbar bleiben.
Seit 50 Jahren steht das Hochhaus an der Heinrich-BöllStraße in Wuppertal. Seit 50 Jahren mit derselben Fassade. Seit 2010 führt die Stadt einen Kampf gegen ständig wechselnde Eigentümer. „Wegen uns bekannten Brandschutzmängeln“, wie Jochen Braun vom Wuppertaler Bauamt sagte.
Doch erst der katastrophale Brand im Londoner Grenfell Tower hat jetzt zu Konsequenzen geführt. Ein Fachmann der Feuerwehr hatte sich nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub Ende vergangener Woche die Hausfront genauer angeschaut und schlug Alarm. Die Fassade aus Kunststoff ist auf einem Holzständerwerk auf dem Beton montiert. Dazwischen wurde Holzwolle zur Dämmung gestopft. „Es kann zu einer ähnlich schnellen Brandausbreitung wie in London kommen“, sagte Braun. Deswegen entschied sich die Stadt am Montagmorgen zur Räumung. Die Bewohner wurden davon überrascht. „Man sagte mir: ,Sie haben jetzt 15 Minuten, um ein paar Sachen zu packen‘“, berichtete Jaromir Hejdar (87). Er wohnt seit der Eröffnung des Hauses dort. „Die Stadt hatte wohl keine Wahl“, meint der gebürtige Tscheche.
Auch Helenia Bujara (85) ist betroffen. „Es hieß nur: schnell, schnell raus. Ich wusste vor Angst nicht mehr, was ich mitnehmen sollte“, meinte die Seniorin, die an den Folgen eines Schlaganfalls leidet.
Gestern kehrten die Bewohner zurück. Für wenige Minuten. In Begleitung städtischer Mitarbeiter durften sie das Nötigste packen. „Die Entscheidung ist uns nicht leichtgefallen, aber es gab keine Alternative. Die Sicherheit geht vor“, sagte Braun.
Auf Sicherheit setzt auch das Bundesbauministerium. Ministerin Barbara Hendricks kündigte an, dass die Länder jetzt zügig weitere gefährliche Gebäude im Bundesgebiet ausfindig machen. Die Bauministerkonferenz werde „kurzfristig erheben, wo es solche Bauten geben kann“.
Die Hamburger Feuerwehr erklärte, dass bei Hochhäusern die Verwendung brennbarer Fassadenteile seit Langem verboten ist. Bei Häusern, die niedriger sind, dürfe Polystyrol als Wärmedämmung verwendet werden. Die Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren habe das schon vor Jahren kritisiert und – bislang vergeblich – ein Verbot gefordert. Wichtig und vorgeschrieben seien zwei baulich getrennte Rettungswege: ein Treppenhaus mit Überdrucklüftung, damit es nicht verrauchen könne, und ab einer Gebäudehöhe von 30 Metern ein Feuerwehraufzug.