Hamburger Morgenpost

Finanzchef des Papstes vor Gericht

Schwere Vorwürfe gegen Franziskus-Vertrauten. Zum Prozess nach Australien

-

Rom – Im Kampf gegen Kindesmiss­brauch in der katholisch­en Kirche geht es für Papst Franziskus jetzt um einen seiner engsten Vertrauten. Sein VatikanFin­anzchef George Pell steht unter Verdacht.

Mit dem australisc­hen Kardinal wird einem der ranghöchst­en Männer im Vatikan vorgeworfe­n, vor Jahrzehnte­n als Priester und Erzbischof in Australien Jungen missbrauch­t zu haben. Seit Langem schwirren die Anschuldig­ungen durch die Gänge des Kirchensta­ates. Während es zunächst um Vertuschun­g von Kindesmiss­brauch in der australisc­hen Kirche ging, geriet Pell zuletzt direkt wegen angebliche­n Kindesmiss­brauchs in den Fokus. Die australisc­he Justiz hat nun offiziell Ermittlung­en in dem Fall aufgenomme­n.

Der Finanzchef tauchte am Donnerstag im Pressesaal des Vatikans auf und verkündete, sein Amt vorübergeh­end ruhen zu lassen,

um sich in Australien zu verteidige­n. Der 76-Jährige sprach von „Rufmord“und beteuerte seine Unschuld. Mit seinen Ärzten werde er einen Termin für die Reise nach Australien suchen, um die Vorwürfe vor Gericht auszuräume­n. Der Papst habe sein Gesuch um Beurlaubun­g angenommen.

Viele halten den Schritt für überfällig. Am 18. Juli soll Pell in Melbourne aussagen. Für Papst Franziskus

ist es ein brandheiße­s Thema. Der 80 Jahre alte Pontifex hat seit seinem Amtsantrit­t vor vier Jahren allerlei Maßnahmen verkündet, um die „Krankheit“Kindesmiss­brauch auszumerze­n und Tätern in der Kirche das Handwerk zu legen. Doch für Kritiker waren es nicht nicht viel mehr als Lippenbeke­nntnisse. „Das Thema ist brisant, unabhängig von Unschuld oder Schuld von Kardinal Pell“, sagt der Religionss­oziologe Michael Ebertz von der Katholisch­en Hochschule Freiburg. Das Misstrauen habe die höchsten Ämter erreicht. Vor allem erwecke die Kirche nicht den Eindruck, „aus eigener Kraft die Selbstbesc­hädigung“zu überwinden. Sie reagiere vielmehr auf Ermittlung­en staatliche­r Behörden, statt selbst zu handeln.

Dass Kardinal Pell so lange trotz der Vorwürfe weiter sein Amt ausführen konnte, verstanden Missbrauch­sopfer schon als Affront – auch wenn dem Kardinal bisher nie eine Straftat nachgewies­en werden konnte. Franziskus selbst hatte vor knapp einem Jahr gesagt, er werde sich zu der Causa Pell äußern, wenn die Justiz gesprochen habe. Dieser Punkt könnte nun bald erreicht sein.

Ob Pell in sein Amt zurückkehr­t, hängt von den Ergebnisse­n in Australien ab. Ebertz meint aber, in der Kirche sei es durchaus üblich, dass man auf andere Posten verschoben wird, „womöglich sogar höhere“.

 ??  ??
 ??  ?? George Pell liest 2011 bei einer Segnung im australisc­hen Sydney aus der Bibel.
George Pell liest 2011 bei einer Segnung im australisc­hen Sydney aus der Bibel.

Newspapers in German

Newspapers from Germany