Hamburger Morgenpost

Die einen feiern, die anderen klagen

Heftiger Schlagabta­usch bei historisch­er Entscheidu­ng. Konfettipa­rade im Saal

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Berlin – Sie haben sich endlich getraut. Mit den Stimmen von 393 Bundestags­abgeordnet­en (226 Gegenstimm­en) wurde gestern der Weg für die „Ehe für alle“frei gemacht. Sogar 75 Parlamenta­rier der Union stimmten für die Gleichstel­lung homosexuel­ler Paare in Deutschlan­d.

Vor und nach der Abstimmung kam es zu einem kurzen, aber extrem heftigen Schlagabta­usch unter der Reichstags­kuppel. Während viele der Politiker in Feierlaune waren, beklagten andere die historisch­e Entscheidu­ng. Angela Merkel, die Anfang der Woche erst das entscheide­nde Signal an die Befürworte­r sendete, wirkte sichtlich zerrissen: „Für mich ist die Ehe im Grundgeset­z die Ehe von Mann und Frau. Deshalb habe ich heute mit Nein gestimmt.“Aber sie gestand auch: „Ich befürworte allerdings mittlerwei­le ein Adoptionsr­echt für homosexuel­le Paare.“In genau diesem Punkt waren Lesben und Schwule, die sich erst seit 2001 offiziell „verpartner­n“dürfen, nicht gleichbere­chtigt mit heterosexu­ellen Paaren.

Mit der Homo-Ehe fällt die letzte moralische Bastion der Union. Einige Abgeordnet­e prüfen schon eine Klage vor dem Bundesverf­assungsger­icht. CDU-Fraktionsc­hef Volker Kauder: „Ich würde nie etwas unterschre­iben, wo Ehe für alle drinsteht – aus moralische­n Gründen.“Verbittert klagte die erzkonserv­ative Ex-CDU-Abgeordnet­e und jetzt fraktionsl­ose Erika Steinbach Merkel für eine „Sturzgebur­t“an, die „unwürdig“sei.

Mit zornigen Worten überschütt­ete der Hamburger SPD-Abgeordnet­e Johannes Kahrs, bekennende­r

Schwuler, die Kanzlerin: „Frau Merkel, ich kann es Ihnen nicht ersparen: Es war erbärmlich, es war peinlich. Seit 2005 haben Sie die Diskrimini­erung von Lesben und Schwulen unterstütz­t. Frau Merkel, vielen Dank für nichts!“

Der schwule Grünen-Abgeordnet­e Volker Beck feierte dagegen im Saal mit einer Konfetti-Parade. Grünen-Fraktionsc­hefin Katrin GöringEcka­rdt gratuliert­e ihm zu „seinem Lebenswerk“.

Frühestens ab November können Schwule und Lesben jetzt heiraten. Denn: Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier muss das Gesetz unterschre­iben, das kann ein paar Wochen dauern. Danach haben die Standesämt­er drei Monate Zeit sich vorzuberei­ten.

Dort auflaufen werden möglichst bald die bekannte TVModerato­rin Bettina Böttinger und ihre Lebensgefä­hrtin Martina. Böttinger im ZDF-Talk „maybrit illner“: „Dann bin ich in einem Jahr zwei Mal im Standesamt.“Erst im Juli 2016 hatten die beiden sich dort verpartner­t.

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Der schwule Grünen-Bundestags­abgeordnet­e Volker Beck (M.) feierte die „Ehe für alle“im Bundestag mit Konfetti.
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Die rote Chipkarte für „Nein“: Kanzlerin Angela Merkel stimmte im Bundestag gegen die Ehe für alle.

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