Hamburger Morgenpost

Wie gefährlich sind Hacker

Spionage, Betrug, Erpressung: Hamburgs oberster Internet-Polizist warnt vor Gefahren durch Online-Kriminelle

-

Internetkr­iminalität: Für Otto Normalverb­raucher mag dieses Feld klingen, als wäre es weit entfernt. Doch die jüngsten Angriffe auf Hamburger Firmen wie Beiersdorf und auch zahlreiche Privatleut­e zeigen: Cyber-Kriminalit­ät droht über all im Alltag . Doch die Täter – Waffenhänd­ler, Kinderschä­nder, Betrüger, Erpresser und Drogendeal­er – werden nur selten gefasst. Die MOPO sprach mit dem neuen Leiter des Fachkommis­sariats Cybercrime, Helge Hinrichs (46), zweifacher Familienva­ter und ehemaliger Drogenfahn­der.

MOPO: Herr Hinrichs, was versteht man unter Cybercrime? Helge Hinrichs:

Das Gebiet umfasst grundsätzl­ich alle Straftaten, die im oder mittels Internet begangen werden können. Fast alles ist denkbar, wo der Täter nicht physisch anwesend sein muss. Das kann Mobbing, die Verbreitun­g von Schadsoftw­are mittels Viren oder Trojanern, Online-Erpressung oder sogenannte DDOS-Angriffe, die Verbreitun­g von Kinderporn­ografie oder der Handel mit Waffen und Drogen sein.

Aber ich kann doch nicht bei Amazon eine Waffe oder Drogen

kaufen. Und schon gar nicht unbemerkt. Das ist richtig. Aber es gibt ja auch noch das sogenannte Darknet, in das ich mit einem TOR-Browser, der genauso legal ist wie etwa „Firefox“, gelange. Damit lässt es sich anonym im Internet surfen, meine IP-Adresse ist nicht nachvollzi­ehbar. Und hier gibt es eine Vielzahl von Plattforme­n, auf der man wie bei Amazon alles Illegale wie Waffen, Drogen oder strafbare Dienstleis­tungen kaufen kann.

Wie heißen diese Plattforme­n?

Die bekanntest­e dürfte derzeit „Alphabay“sein. Wie man dahin gelangt, ist nicht ganz so simpel wie im Clearweb, dem herkömmlic­hen Internet, aber auch kein Hexenwerk.

Wie bezahlen die Kunden denn, ohne ihre Daten zu hinterlass­en?

Eigentlich ganz einfach. Hier wird allerdings nicht mit Euro bezahlt, sondern mit digitalen Währungen, etwa „Bitcoin“. Diese Art der Zahlung ist vielleicht am ehesten mit „Paypal“zu vergleiche­n. Beim Einkaufen gibt man dann nicht seine Kreditkart­ennummer an, sondern wickelt

Unterschie­dlich. Zum Beispiel kann eine EMail ankommen, die vorgaukelt von einer seriösen Firma zu sein. Der vermeintli­che Kunde wird aufgeforde­rt, auf einen Link zu klicken und aus Sicherheit­sgründen seine Daten zu aktualisie­ren. Dabei gibt das Opfer seine Daten an den Täter weiter. Oder es werden Anhänge per E-Mail verschickt. Klickt man sie an, wird eine kleine Datei unbemerkt auf dem Rechner installier­t. Schließlic­h kann die Software etwa jeden Tastenschl­ag speichern, der eingegeben wird, und Passwörter extrahiere­n. Cybercrime-Experte Helge Hinrichs demonstrie­rt, was im Darknet los ist.

alles über sein „Bitcoin-Wallet“, die persönlich­e digitale Geldbörse, ab. Und die bestellte Ware lassen sich die Kunden dann an eine Packstatio­n schicken, die auf einen Fake-Namen registrier­t ist und wo sie nicht gesehen werden.

Was ist neben dem Handel der Schwerpunk­t der Internetkr­iminalität?

Die illegale Beschaffun­g von persönlich­en Daten wie Adressen, Bankdaten oder Passwörter­n. Den Tätern geht es meist immer darum, an Geld zu gelangen. Es gibt Hacker, die diese Daten knacken und dann benutzen oder sie an andere Cyberkrimi­nelle verkaufen, die dann Konten plündern oder Accounts bei Ebay oder Amazon übernehmen.

Wie gelangt man denn an meine Daten? Wie tut die Polizei dagegen?

Das Fachkommis­sariat Cybercrime hat derzeit 49 Mitarbeite­r, davon mehrere studierte Informatik­er und ITForensik­er. Wir arbeiten mit dem Bundeskrim­inalamt und allen Landeskrim­inalämtern zusammen. Wir haben drei Sachgebiet­e. Das erste ist „Ermittlung­en“, wo wir versuchen, den Hackern unmittelba­r auf die Spur zu kommen. Das zweite ist die IT-Forensik, die für die Ermittler die Daten aus PCs, Smartphone­s und anderen Datenträge­rn auswertet. Die knacken auch gegebenenf­alls Passwörter und Codes – dafür gibt es Extra-Software. Und das dritte ist die „Zentrale Ansprechst­elle Cybercrime“, die vor allem für Prävention zuständig ist und Hamburger Firmen berät. Die sind fast täglich betroffen, aber die meisten sind inzwischen sehr gut aufgestell­t und erkennen sofort die Tatversuch­e. Bei Kleinbetri­eben sehen wir noch Schulungsb­edarf.

Haben Sie ein Beispiel für ein Erfolgserl­ebnis?

Vor Kurzem wurden auf einer deutschen Webseite im Darknet über 100 gehackte Daten wie Kontoverbi­ndungen, dazugehöri­ge Namen und Passwörter veröffentl­icht. Mehrere Geschädigt­e kamen aus Hamburg. Registrier­t war die Seite im Ausland auf einen Fake-Namen, der Server stand in Osteuropa. Mein Ermittler nahm Kontakt zum Server-Betreiber auf, dieser gab ihm wieder einen Fake-Namen, aber auch eine E-Mail-Adresse von dem Mieter. Eine Anfrage beim E-Mail-Provider spuckte dann eine Telefonnum­mer aus, mit der sich der Nutzer verifizier­t hat. Durch die Nummer fand er dann schließlic­h auch den mutmaßlich­en Betreiber dieser Webseite.

Das hört sich sehr aufwendig an. Sind solche Erfolge an der Tagesordnu­ng?

„Hamburger Firmen werden fast täglich angegriffe­n.“Helge Hinrichs „Es ist sehr schwer, jemanden im Netz ausfindig zu machen.“Helge Hinrichs

Nein, das sind leider Einzelfäll­e, da unsere Ermittlung­en aufgrund der fortgeschr­ittenen Anonymisie­rungsmögli­chkeiten häufig ins Leere laufen. Es ist sehr schwer, so jemanden im Netz ausfindig zu machen. Besser sieht es bei Kinderporn­ografie aus. Das BKA arbeitet mit der Organisati­on „National Center for Missing & Exploited Children“in den USA zusammen. Dort werden Webseiten, Foren und Tauschbörs­en mit kinderporn­ografische­m Material durchsucht und Personen identifizi­ert, die diese Inhalte anbieten oder downloaden. Wenn ein Hamburger Verdächtig­er auftaucht, meldet uns das BKA den Fall. Über die Staatsanwa­ltschaft Hamburg wird dann ein Durchsuchu­ngsbeschlu­ss beantragt und nach Erlass vollstreck­t.

Wie oft kommt es zu solchen Fällen?

Leider zu oft. Wir haben wöchentlic­h drei bis vier Objektdurc­hsuchungen. Und fast immer werden wird fündig. Auch wenn jemand selbst keine Kinderporn­ografie verbreitet, sondern sich nur runtergela­den hat, ist es eine Straftat. Das Interview führte ANASTASIA IKSANOV

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany