Hamburger Morgenpost

„Hier ist ein Team entstanden“

Nach dem Einzug ins Endspiel des Confed Cups spricht der Bundestrai­ner exklusiv in der MOPO

- Das Interview führte SVEN WESTERSCHU­LZE

Der starke Auftritt beim 4:1Sieg im Halbfinale gegen Mexiko hatte auch ihn verzückt. Joachim Löw ist begeistert von den Leistungen seines Perspektiv­teams beim Confed Cup. Mit Blick auf die WM aber stellen sich damit auch neue Fragen für den Bundestrai­ner. Wen nimmt er im kommenden Jahr mit nach Russland? Welcher Star muss nun zittern? Die MOPO traf Löw zum exklusiven Interview im Teamhotel in Sotschi.

MOPO: Während des Confed Cups rutschen Sie vom Dirigenten des Starensemb­les in die Rolle des Ausbilders für viele junge Spieler. Was löst diese Aufgabe in Ihnen aus? Löw:

Es macht mit den Jungs viel Spaß. Sie bringen gute Voraussetz­ungen mit und sind sehr erfolgshun­grig. Das spürt man. Nicht nur individuel­l entwickeln sie sich hier gut. Ich habe das Gefühl, hier ist ein Team entstanden. Es ist mehr Basisarbei­t als mit den etatmäßi- Spielern, weil wir vor drei Wochen im Grunde genommen bei Null begonnen haben, was unsere Philosophi­e und die Abläufe in der Nationalma­nnschaft angeht.

Gehen Sie Ihre tägliche Arbeit in diesem Länderspie­l-Zyklus dadurch anders an?

Mit der angestammt­en Mannschaft macht mir die Arbeit natürlich ebenso große Freude, aber die erfahrenen Spieler haben unsere Inhalte natürlich schon verinnerli­cht. Da ist es auch nicht damit getan, sie nur bei Laune zu halten. Wir arbeiten an Details und versuchen manche Dinge über Jahre hinweg zu automatisi­eren.

Haben Sie es trotzdem als eine neue Herausford­erung gesehen, aus diesem Kader eine funktionie­rende Einheit zu formen?

Nicht unbedingt. In erster Linie geht es darum, Erkenntnis­se zu sammeln, das Spektrum zu erweitern, Spieler weiterzuen­twickeln und Konkurrenz­kampf zu schaffen. Das ist wichtig, nicht nur für die WM im kommenden Sommer, sondern auch für die danach folgenden zwei, drei Jahre.

Haben Sie erkennen können, wer Verantwort­ung übernimmt, wer Ihre Vorgaben umsetzen kann?

Das ist auf jeden Fall zu erkennen. Der eine oder andeSpiele­r re hat gezeigt, dass er hier eine Perspektiv­e haben kann. Almit le, die dabei sind, habislang ben voll mitgezogen.

Hat Joshua Kimmich beim Conden fed Cup Sprung zum Führungssp­ieler gemacht?

Über Jo bin ich in jeder Beziehung voll des Lobes. Als er 2016 in der EM-Vorbereitu­ng zum ersten Mal dabei war, hat er mich vom ersten Tag an mit seinem Auftreten, seiner Körperspra­che und seinen Leistungen auf dem Platz überzeugt. Vom ersten Training weg hat er gezeigt, dass er sich einen Platz im Kader erkämpfen möchte und bei der EM dabei sein will. Diesen unbändigen Willen und die Ausstrahlu­ng auf dem Platz schätze ich. Jede Aktion bei Jo ist 100 Prozent pure Leidenscha­ft.

Halten Sie Mario Götze einen Platz im WM-Kader frei, wenn er seine Stoffwechs­elerkranku­ng überstande­n hat und wieder vollständi­g fit ist?

Mit Mario hatte ich kurz vor dem Confed Cup Kontakt. Er wirkte optimistis­ch und positiv, und ich hoffe, dass er im Sommer eine Vorbereitu­ng ohne größere Verletzung absolviere­n kann. Mario Götze ist ein außergewöh­nlicher Fußballer. Ich wünsche ihm, dass er schnell in Form kommt.

Und Holger Badstuber? Der erklärte zuletzt, dass er die Nationalel­f noch nicht ganz abgeschrie­ben hat.

Holger war eines der absolut größten Innenverte­idiger-Talente, weil seine Spielauslö­gen

sung überragend ist. Die vergangene­n Jahre waren leider sehr hart für ihn. Ich glaube, dass es für ihn grundsätzl­ich erst mal wichtig ist, ein Jahr lang regelmäßig zu spielen.

Es scheint Ihnen und den Spielern in Sotschi gut gefallen zu haben. Wie ernst werden die Planungen für ein WMQuartier am Meer?

Sotschi kann auch eine Option sein, aber wir prüfen derzeit alles, Oliver Bierhoff und sein Team schauen sich im Prinzip im ganzen Land um. Der Vorteil ist, dass es hier gute Regenerati­onsmöglich­keiten und tolle Trainings bedingunge­n gibt. Am Ende ist es aber auch wichtig, dass die Logistik stimmt.

Sotschi liegt ganz im Süden Russlands. Also wäre das zentrale Moskau mit Blick auf den Reisestres­s die bessere Variante?

Es gibt viele verschiede­ne Aspekte, die mit in die Entscheidu­ng einfließen. Die Nähe zu einem Trainingsp­latz, die Strecke zum Flughafen. Auch die Flugzeiten spielen natürlich eine Rolle.

Trotzdem scheinen Sie und der DFB-Staff noch nicht von Moskau überzeugt zu sein...

Ich habe auf der anderen Seite bei den Turnieren in der Vergangenh­eit festgestel­lt, wie wichtig es ist, dass man zwischendu­rch auch mal abschalten kann. Die Spieler haben eine große Belastung – nicht nur körperlich, sondern auch emotional. Wir haben uns da noch nicht festgelegt, das Gesamtpake­t muss passen.

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Reporter Sven Westerschu­lze (l.) und Joachim Löw im Teamhotel in Sotschi
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Zwei, die sich schätzen: Joachim Löw (l.) lobt Joshua Kimmich in den höchsten Tönen.
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 ??  ?? Gefährlich­es Trio: Timo Werner, Lars Stindl und Leon Goretzka (v.l.) beim Sieg gegen Mexiko
Gefährlich­es Trio: Timo Werner, Lars Stindl und Leon Goretzka (v.l.) beim Sieg gegen Mexiko
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