Die Welt verneigt sich vor Helmut Kohl
„Ein Nachkriegsgigant hat uns verlassen“: Bewegende Trauerfeier in Straßburg und Speyer
Straßburg/Speyer – Die Welt hat Abschied von Helmut Kohl genommen. Zum „Staatsakt“im Europäischen Parlament kamen viele Politiker aus aller Welt. Alle würdigten die Verdienste des ehemaligen Bundeskanzlers und Ehrenbürgers Europas. Kohl war vor zwei Wochen mit 87 Jahren gestorben.
Wäre es nach dem Willen der Witwe Maike Kohl-Richter gegangen, hätte Angela Merkel nicht auf der Trauerfeier gesprochen. Zu tief saß wohl Kohls Ärger über Merkels „Verrat“in der CDU-Parteispenden-Affäre. Doch Merkel sprach. Sie schlug dabei versöhnliche Töne an – und kämpfte mit den Tränen.
Merkel würdigte Kohls „historische Leistung“, die deutsche in die europäische Einigung eingebettet zu haben. Der Altkanzler hinterlasse ein „Werk des Friedens, ein Werk der Freiheit und ein Werk der Einheit“, sagte die Politikerin. „Es ist an uns, sein Vermächtnis zu bewahren.“
Die Nachnachfolgerin Kohls über ihren Ziehvater: „So manche Geister schieden sich an ihm. Auch ich kann davon erzählen, doch all das tritt zurück hinter sein Lebenswerk.“Merkel würdigte Kohls erste Ehefrau Hannelore, die ihm stets zur Seite stand: „Ihr gehört unsere Dankbarkeit.“Pikant: Kohls zweite Frau Maike saß nur wenige Meter entfernt. Sie war mit schwarzem Hut und Sonnenbrille erschienen und betrat als eine der Letzten den Saal. Merkel würdigte auch sie kurz. Am Ende der Rede gaben sich die beiden Frauen kurz die Hand. Begrüßt hatten sie sich zumindest in der Öffentlichkeit nicht.
Bei ihrem Schlusswort kämpfte Merkel sichtlich mit den Trä-
nen: „Lieber Bundeskanzler Helmut Kohl, dass ich hier stehe, daran haben Sie entscheidenden Anteil.“Die in der DDR aufgewachsene Politikerin danke für die Chancen, die Kohl ihr sowie allen Deutschen und Europäern ermöglicht habe. „Ich verneige mich vor Ihnen und Ihrem Andenken in Dankbarkeit und Demut.“
„Mit Helmut Kohl verlässt uns ein Nachkriegsgigant“, sagte Jean-Claude Juncker, Chef der EU-Kommission. Besonders emotional war der Auftritt des ehemaligen US-Präsidenten Bill Clinton. Er sagte mit Tränen in den Augen: „Ich habe ihn geliebt, ich habe ihn sehr gemocht.“Kohl habe eine Welt gewollt, in der Zusammenarbeit als besser galt als der Konflikt: „Er wollte eine Welt schaffen, in der niemand niemanden dominiert.“Wohl ein Seitenhieb gegen den aktuellen US-Präsidenten. Zum Schluss sagte Clinton: „Du hast das gut gemacht in deinem Leben. Und wir, die wir dabei sein durften, lieben dich dafür.“Der 70-Jährige verließ das Rednerpult und salutierte im Vorbeigehen am Sarg, der mit der Europafahne bedeckt war.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron nannte den Verstorbenen „Schmied der deutschen Einheit, Erbauer Europas, Freund Frankreichs“. Es sei ihm gelungen, aus „Völkern, die sich bekämpften, Freunde zu machen“. Russlands Ministerpräsident Dmitri Medwedew – als „Privatperson“angereist – würdigte Kohl als „einen Architekten der gegenwärtigen Welt“.
Nach der Zeremonie wurde Kohls Sarg in seine Geburtsstadt Ludwigshafen geflogen. Dort applaudierten Hunderte Menschen dem vorbeifahrenden Konvoi. Schließlich ging es per Schiff über den Rhein nach Speyer. Dort gab es eine Totenmesse mit 1500 Trauergästen. Am Abend wurde Kohl schließlich im engen Kreis beigesetzt. Seine Söhne Walter und Peter wurden nicht gesehen. Sie hatten sich einen Staatsakt in Deutschland und die Beerdigung ihres Vaters im Familiengrab in Ludwigshafen gewünscht.