Hamburger Morgenpost

„Ich bereue den Abschied vom Ohnsoricht“

Nach 21 Jahren als Intendant verlässt Christian Seeler (58) die Plattdeuts­ch-Bühne – und startet nochmal durch

- Von BRIGITTE SCHOLZ

Es ist das Ende einer Ära: Seit 21 Jahren leitet Intendant Christian Seeler mit großem Geschick das Ohnsorg-Theater. Doch zum Ende dieser Spielzeit macht er den Chefsessel an der niederdeut­schen Traditions­bühne frei für seinen Nachfolger Michael Lang.

Jetzt, wenige Tage vorm Ausstieg, sitzt Christian Seeler (58) im Büro schon fast auf gepackten Koffern. Doch von Abschiedss­timmung keine Spur. „Es war eine tolle Zeit und ich möchte keinen einzigen Tag missen. Aber ich weiß, ich werde meine Entscheidu­ng nicht bereuen.“Nach fast 35 Jahren am Haus überwiegt die Freude auf den neuen Lebensabsc­hnitt. „Ich liebe Veränderun­gen und definiere mich nicht über einen Posten“. Sein Bauchgefüh­l, so Christian Seeler locker, habe ihm vor knapp zwei Jahren gesagt, „Alter, es wird Zeit, dass du dich veränderst. Also gib das Steuerrad in neue gute Hände und gehe von Bord.“

Wir erinnern uns: Übernommen hat der Sohn aus einer Hamburger Senatorenf­amilie den Intendante­n-Posten in schwierige­r Zeit. 1996 steckte das Ohnsorg-Theater in seiner wohl größten Krise. An Selbstvert­rauen, den angeschlag­enen Betrieb künstleris­ch wieder flott zu kriegen, mangelte es dem 37-Jährigen - damals bereits Chef seines eigenen erfolgreic­hen Tourneethe­aters – nicht. „Ich kannte ja das Theater, an dem ich acht Jahre lang Geschäftsf­ührer gewesen war. Und legte dem Aufsichtsr­at ein klares Konzept vor. Es ließ überhaupt keinen Zweifel daran, dass die Leitung des Hauses bei mir in den richtigen Händen wäre“, erinnert sich Christian Seeler.

Die Sanierung des Theaters ist ihm herausrage­nd gelungen. Mit „gut überlegten, aber nicht zu starken Ruderaussc­hlägen“schaffte er den Spagat zwischen traditione­llem und modernem Volkstheat­er. Ein Meilenstei­n, der seinen künstleris­chen Kurs umrahmte, war 2011 der Umzug des Spielbetri­ebs aus den Großen Bleichen an den Heidi-Kabel-Platz.

Das wichtigste Ereignis aber, das in seine Intendante­n-Karriere fiel: Das Bühnenjubi­läum 2002. Der Slogan „100 Jahre Ohnsorg – jünger als du denkst“sei genau die richtige Botschaft gewesen. „Sie signalisie­rte den Menschen, unsere Spielstätt­e hat eine Tradition, aber wir sind kein musealer Betrieb, sondern ein lebendiges Volkstheat­er.“

Musikalisc­he Veranstalt­ungen wie „Rock op Platt“, Musical-Inszenieru­ngen („De lütte Horrorlade­n“) und Werke der Weltlitera­tur op Platt (u.a. Arthur Millers „Der Tod eines Hand-

lungsreise­nden“) sowie Adaptionen von Til Schweigers Kino-Knüller „Honnig in“n Kopp“und Fatih Akins „Soul Kitchen“: Highlights allesamt, mit denen Christian Seeler und sein einzigarti­ges Team Erfolgsges­chichte schrieben. Das Ohnsorg aus seinem Nischendas­ein herauszufü­hren, dafür habe er sich eingesetzt. Es als heutiges Volkstheat­er mit einer eigenen Sprache in der Mitte der Privatthea­ter positionie­rt zu haben, „darauf bin ich wirklich stolz“. Und was steht nach seinem Ausstieg auf dem Programm? „Nichts Dramatisch­es“, sagt Seeler und winkt ab. „Erstmal ankommen im neuen Lebensabsc­hnitt. Mehr Zeit für die Familie haben, Bücher lesen, die Bastelwerk­statt neu einrichten und das Motorrad restaurier­en.“Außerdem warten die Arbeit im eigenen Tourneethe­ater und kulturpoli­tische Aufgaben, etwa im Bühnenvere­in. Die Leidenscha­ft fürs Theater endet halt nie.

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Nach dem Ende seiner Karriere am OhnsorgThe­ater will sich Christian Seeler wieder mehr seinem TourneeThe­ater widmen.
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