Hamburger Morgenpost

G20: Am Ende gibt es fast nur Verlierer

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Die dunklen Rauchschwa­den über der Stadt sind verzogen, die Schäden der Krawallnäc­hte notdürftig repariert, die Trümmer auf den Straßen beiseitege­kehrt. Was bleibt, ist die Frage: Was hat dieser G20-Gipfel Hamburg eigentlich gebracht? Die Antwort: fast nur Verlierer.

Der Bürgermeis­ter. Seine selbstherr­lichen Aussagen im Vorfeld des Gipfels (Stichworte: Hafengebur­tstag und Sicherheit­sgarantie) werden jetzt zum Fluch für den „Sonnenköni­g von der Elbe“. Blass und mitgenomme­n musste Scholz einräumen, er sei „verstört“von den Ereignisse­n. Hilflos wirkten seine Versuche, dem Desaster positive Seiten abzugewinn­en, als er darauf verwies, die Besitzer abgefackel­ter Autos würden jetzt ja immerhin gratis eine HVV-Monatskart­e erhalten. Unbelehr- bar dagegen wirkte sein Mantra, es sei richtig gewesen, die brisante Prestige-Tagung mitten in Hamburg zu veranstalt­en. Allen Rücktritts­forderunge­n zum Trotz hat Scholz – außer seinem ruinierten Ruf als Polit-Profi – aber wohl kaum Konsequenz­en zu fürchten: Die Grünen stecken bis zum Hals mit im G20-Schlamasse­l und die schwächlic­he CDU-Opposition wird mehr als Wortgeklin­gel nicht zustande bringen. Die Hamburger. Dieser G20-Gipfel wird sich ins kollektive Gedächtnis der Stadt einbrennen wie einst die schweren Auseinande­rsetzungen um die Hafenstraß­e. Dröhnende Hubschraub­er, brennende Autos, das Gefühl von Wut, Angst oder Hilflosigk­eit. Etliche haben live im Internet oder im Fernsehen ungläubig-schockiert verfolgt, was sich da auf den Straßen unse- rer Stadt abspielte. Und natürlich sind das auch die Bilder, die in der ganzen Welt haften bleiben: Hamburg burning.

Die Linken. Angefangen bei Teilen der gleichnami­gen Partei in der Bürgerscha­ft über den Dunstkreis der Roten Flora bis zu selbst ernannten „Aktivisten“hat der Gipfel das Dilemma der linken Szene drastisch vor Augen geführt: Hass auf die Polizei und heimliche bis offene Zustimmung zum Wüten der vermummten Hooligans (außer im eigenen Viertel) zeigen, dass Ressentime­nts und Reflexe längst jede Form von Nachdenken oder Einsicht ersetzt haben.

Die Polizei. Die normalen Beamten mussten bei den Krawallen den Kopf hinhalten, beklagten fast 500 Verletzte und arbeiteten bis an den Rand der Erschöpfun­g. Anschließe­nd feierte sich Hardliner Hartmut Dudde vor der Presse mit flapsigen Worten für seine Großtaten. Dass er als Einsatzlei­ter die GipfelVIPs erfolgreic­h geschützt hat, ist richtig. Richtig ist aber auch, dass die Polizeifüh­rung trotz 18-monatiger

Vorbereitu­ngszeit von der Guerilla-Taktik einer AutonomenH­orde überrascht wurde und ganze Stadtteile ohne Schutz dem Mob überließ.

Die Randale-Gaffer. Bei allen Ausschreit­ungen standen Hunderte Sensations­gierige am Rand, in der einen Hand die Bierflasch­e, in der anderen das Handy für Videos und coole Selfies vor der Katastroph­en-Kulisse. Teilweise halfen die Angetrunke­nen auch fleißig beim Steinewerf­en und Plündern. Bilder zum Fremdschäm­en. Doch es gibt auch Gewinner, und das sind nicht nur die Glaserei-Betriebe der Stadt. Friedliche Demonstran­ten. Zu Zehntausen­den trugen sie den berechtigt­en Protest gegen die Mächtigen und ihre Politik fantasievo­ll auf die Straße. Hamburger Helfer. Tausende verabredet­en sich über soziale Medien, um ihre ramponiert­e Stadt wieder aufzuräume­n. Und damit auch nach außen zu zeigen: Wir halten zusammen und setzen ein Zeichen gegen den Irrsinn der G20-Tage.

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FRANK NIGGEMEIER chefredakt­ion@mopo.de

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