Das treibt die Gewalt-Gaffer an
Ein Psychologe über Selfies und Behinderungen der Polizei durch Schaulustige
Glotzen, johlen, Fotos vor brennenden Barrikaden machen ... Während Vermummte das Schulterblatt verwüsteten, ergötzten sich Schaulustige an den Tumulten. Ein Video, das bei Facebook kursiert, zeigt sogar ein Pärchen, das mit Blick auf den Mob Sex hat. Ist Gaffen echt so geil?
„Sensationsgier ist die simpelste Form, sich Halligalli ins Leben zu holen. Das ist intensiver als ,Tatort‘ gucken und hilft gegen Langeweile“, sagt Psychologe und Buchautor Dr. Wolfgang Krüger. „Schaulustige berauschen sich an Katastrophen oder Gewaltexzessen wie in der Schanze. So haben sie das Gefühl des Abenteuers.“Durch die sozialen Medien wird dieses Erlebnis intensiviert. Wer Selfies vom Ort des Geschehens postet, bekommt Aufmerksamkeit. Das verstärkt den Erregungsfaktor“, sagt Krüger.
Vom Kern her sei dieses Phänomen nicht neu. „Im Mittelalter pilgerten die Leute dorthin, wo Menschen am Galgen hingen. Es gab schon immer eine Art Gaffer-Tourismus, wenn’s um Leben und Tod ging“, so der Experte.
Dafür, dass die Menschen nicht mal für die Polizei zur Seite gehen, hat er eine Erklärung: „Weil das eigene Interesse größer ist. Die Rücksichtslosigkeit in der Gesellschaft steigt.“Dennoch müsse man zwischen Gaffern und Gewalttätern unterscheiden. „Die meisten Schaulustigen sind entsetzt. Im Normalfall sind dies keine Menschen, die sich mit der Zerstörungswut solidarisieren.“
Ein Risiko sei allerdings, wenn der Gaffer zum Opfer wird. Krüger: „Bekommt ein unbeteiligt Herumstehender Pfefferspray ab oder wird er von einem Wasserwerfer getroffen, besteht die Gefahr, dass er in plötzlicher Wut Handlungen begeht, die so niemals geplant waren.“ Am Wochenende pilgerten Tausende ins Schanzenviertel, um sich den Abenteuer-Kick zu holen – nach dem Motto „Endlich Action!“