Massive Kritik am Gipfel-Knast
Überfüllte Zellen, kaum Essen, kein Bett: Demo-Rechtshilfe und Anwältin rügen Zustände
Hochbetrieb in der Gefangenensammelstelle (Gesa) in Harburg: Mehr als 400 Festund Ingewahrsamnahmen mussten während des G20Gipfels bearbeitet werden. Laut dem mit den Festgenommenen im Kontakt stehenden Ermittlungsausschuss (EA) kam es dabei zu „systematischen Schikanen“.
„Die Zellen waren heillos überbelegt“, schimpft EASprecher Sebastian Krause. Der Ermittlungsausschuss, eine Art linke Rechtshilfe, ergreift Partei für festgenommene Protestler, besorgt ihnen Anwälte. Statt der vorgesehenen fünf Personen seien acht Leute in die Zellen der Sammelstelle gepfercht worden, so Krause. Weil es nur eine Bank gibt, hätten die Gefangenen auf dem nackten Fußboden schlafen müssen. Es habe nicht genug zu essen gegeben – ein Diabetiker habe einen ganzen Tag lang nur zwei Scheiben Knäckebrot bekommen. Zudem sei das Licht 24 Stunden angeblieben. Krause: „Das fällt unter psychische Folter!“
Bei Körperkontrollen hätten Frauen sich vor männlichen Polizeibeamten nackt ausziehen müssen, so Krause. Verletzte hätten trotz Armund Nasenbrüchen keinen Zugang zu Ärzten erhalten.
Rechtsanwältin Gabriele Heinecke vom Anwaltlichen Notdienst, der viele Festgenommene vertritt, hat Ähnliches zu berichten. Sie bestätigt die Überbelegungen, fehlende Pritschen und den Nahrungsmangel. Zudem seien viele Gefangene stundenlang ohne Anhörung festgehalten worden. „Das verstößt gegen das Verfassungsgerichtsurteil. Sie hätten unverzüglich einem Richter vorgeführt oder wieder freigelassen werden müssen“, so Heinecke.
Einige Fälle hätten schnell erledigt werden können, weil polizeiliches Video-Material vorlag. So wie der Fall einer 60-jährigen Gefangenen, die nur zufällig zwischen die Fronten geraten war. „Ich habe die Sichtung des VideoMaterials beantragt“, so Heinecke. Doch die Polizei habe die Herausgabe verweigert. „Angeblich, weil die Daten auf einem Zentralrechner gespeichert seien“, so Heinecke.
Die Polizei war gestern zu den Vorwürfen nicht zu erreichen.