Kämpferin für das Erbe
Kristina Sassenscheidt vom Denkmal-Verein über Bausünden und bedrohte Orte
Aufgewachsen ist Kristina Sassenscheidt (39) in einer wunderschönen Eppendorfer Altbauwohnung. Vermutlich hat sie also schon als kleines Mädchen den Sinn für ausgezeichnete Architektur entwickelt. Aktuell kämpft die neue Vorsitzende des Denkmalvereins vehement für das bedrohte bauliche Erbe unserer Stadt. Die MOPO sprach mit ihr über die City-Hochhäuser, die „Post-Pyramide“in der City Nord und die „Begrünung“des Bunkers an der Feldstraße.
MOPO: Hat der Denkmalschutz in Hamburg überhaupt noch eine Bedeutung? Kristina Sassenscheidt:
Auf jeden Fall. Denkmalschutz hat hier schon immer einen ganz hohen emotionalen Wert. Die Hamburger sind ja sehr heimatverbunden. Und Denkmalschutz bedeutet oft nichts anderes als Schutz der vertrauten Umgebung.
Ich spielte eigentlich darauf an, dass der Senat den Denkmalschutz nicht mehr achtet und beispielsweise die City-Hochhäuser abreißen lässt.
Als Denkmalverein sehen wir das City-Hof-Verfahren sehr kritisch. Der Senat hat sich mit seinem Denkmalschutzgesetz verpflichtet, vorbildhaft mit seinen Denkmälern umzugehen. Viele private Umstritten: der neue Entwurf für das Areal der City-Hochhäuser (Altstadt). Und so elegant sahen die Gebäude am Klosterwall in den 60er Jahren aus. Kristina Sassenscheidt im Gespräch mit Thomas Hirschbiegel
Denkmal-Inhaber gucken daher jetzt sehr genau auf den City-Hof. Sie fragen sich: Warum sollen wir gut mit unseren Denkmälern umgehen und uns an das Gesetz halten, wenn die Stadt es selbst nicht macht. Dem Denkmalschutz droht damit ein großes Glaubwürdigkeitsproblem.
Wie sehen Sie den denkmalgeschützten Metallwalzwerks an der Bille? Abriss des
Alexander Otto baut Michael Otto ein Logistik-Zentrum – und der Senat rollt ihnen für den Denkmal-Abriss einen roten Teppich aus. Aber es geht nicht, dass Denkmal-Eigentümer vor dem Gesetz ungleich behandelt werden. Und in diesem konkreten Fall muss man fragen: Wo sind denn hier bitte die öffentlichen Belange, die laut Gesetz den Abriss „verlangen“müssen? Die gibt es nicht. Es gibt nur privatwirtschaftliche Interessen.
Welche übergeordneten Interessen kann es denn für den Abriss der City-Hochhäuser geben?
Bislang wurden immer städtebauliche Argumente ins Feld geführt. Doch wenn man sich den Siegerentwurf des
Neubaus anschaut, fragt man sich, ob diese massive Verdichtung eine Verbesserung darstellt.
Haben Sie noch Hoffnung, den City-Hochhäusern den zu verhindern? bei Abriss
Auf jeden Fall! Schließlich gibt es ein geltendes Denkmalschutzgesetz. Und wie gesagt: Ich sehe keinen anderen öffentlichen Belang, der hier den Denkmalschutz überwiegt. Können Sie trotzdem nachvollziehen, dass viele die Hochhäuser hässlich finden und sie weghaben wollen? Die Gebäude wurden in den 70er Jahren furchtbar verkleidet. Aber sie sind nicht marode. Ich hoffe sehr, dass die Debatte um den City-Hof zumindest dabei hilft den Denkmalbegriff bewusster zu machen.
Viele Hamburger bringen Denkmalschutz eher mit dem Rathaus, dem Bäckerbreitergang oder der Deichstraße in Verbindung ...
Ja, alles „Alte und Schöne“muss erhalten werden. Aber es geht im Denkmalschutz nicht nur um Nostalgie. Kulturdenkmäler haben eine Geschichte zu erzählen und machen zugleich unsere eigene Geschichte lebendig. Und damit uns diese wichtigen historischen Zeugnisse nicht verloren gehen, muss der Denkmalschutz dem Zeitgeist immer einen Schritt voraus sein. Dafür braucht man etwa eine Generation Abstand – also 25 bis 30 Jahre. Jetzt schaut man in die 80er.
Und wie finden Sie architektonisch? die 80er so
Teils, teils. Es gibt durchaus tolle Sachen. Und natürlich auch gruselige Sachen. Aber die gibt es in jeder Epoche.
Man spricht in dieser Zeit ja vom Brutalismus!
Das waren eher die 70er Jahre. Aber der Brutalismus wird im Internet gefeiert, nicht zuletzt weil er ungeheuer fotogen ist.
Wie beurteilen Sie den Abriss der „Post-Pyramide“in der City Nord?
Der Abriss ist bedauerlich, der Bau wäre sicher bald wieder in Mode gekommen. Immerhin wurden hier Filme wie Anton Corbijns „A Most Wanted Man“gedreht, und Location-Scouts vom Film haben oft ein sehr gutes Gespür für architektonische Qualität. Das Haus hat eine beeindruckende skulpturale Wirkung. Schon jetzt liebt die jüngere Generation solche Gebäude. Das wird sich in den nächsten zehn bis 15 Jahren noch verstärken.
Welche Gebäude sind in Hamburg in Gefahr, die erhalten werden müssten?
Die Aufstockung des Feldbunkers sehe ich sehr kritisch. Das ist ein wichtiges Mahnmal des Zweiten Weltkriegs. Die Schilleroper. Das Lagerhaus G im Hafen – das war ein Außenlager des KZ Neuengamme, hat also auch eine hohe geschichtliche Bedeutung. Der Lange Jammer, ehemalige Landarbeiterhäuser in Barmbek. Das Interview führte THOMAS HIRSCHBIEGEL
„Im Denkmalschutz geht es nicht um Nostalgie.“
Kristina Sassenscheidt studierte 1998 bis 2005 an der Technischen Universität Berlin Architektur. Von 2007 bis 2014 war sie Sprecherin des Denkmalschutzamts. Seit 2009 engagierte sie sich für das Gängeviertel und gründete die Internetplattform „Leerstandsmelder“. 2016 wurde die Mutter eines Sohnes zur Vorsitzenden des Denkmalvereins Hamburg gewählt.
Zur Person