Lockert das
SPD-Innenminister nach G20-Demos: Boris Pistorius verspricht sich davon mehr Polizei-Spielraum für Deeskalation
Das dürfte Bürgermeister Olaf Scholz gerade absolut nicht passen: Sein Parteigenosse Boris Pistorius aus Niedersachsen spricht sich für eine Lockerung des Vermummungsverbots aus! Und dessen Worte haben Gewicht, denn der Innenminister gehört zum Wahlkampfteam von Kanzlerkandidat Martin Schulz und ist dort für das Thema Innere Sicherheit zuständig.
„Wir versprechen uns davon mehr Sicherheit“, so Pistorius zum „Tagesspiegel“. Seine Begründung: „Wir brauchen Spielraum für Deeskalation.“Eine Lockerung wirke nur auf den ersten Blick paradox. „Es geht darum, das Eskalationsrisiko so gering wie möglich zu halten.“
Erreicht werden soll diese Lockerung des Vermummungs-Verbots, indem es von einer Straftat auf eine Ordnungswidrigkeit zurückgestuft werde.
Solange Vermummung ein Straftatbestand sei, könne die Polizei nur unter engen Voraussetzungen davon absehen, einzugreifen. „Bei einer Ordnungswidrigkeit ist der Ermessensspielraum größer“, erklärte der Minister mit Blick auf entsprechende Reformpläne in Niedersachsen. Vermummung wurde 1989 unter der Kohl-Regierung zur Straftat hochgestuft. Das Verbot soll dafür sorgen, dass Straftäter identifiziert werden können. Auch als Ordnungswidrigkeit könne Vermummung natürlich verfolgt werden.
Was Pistorius da vor dem Hintergrund der G20-Ausschreitungen sagt, ist für den Hamburger Senat und die Polizeiführung purer Sprengstoff. Denn es klingt wie ein Schuldeingeständnis. Die Hamburger Einsatzleitung
hatte bei der „Welcome to Hell“-Demonstration am vergangenen Donnerstag den Demo-Zug gestoppt, weil im Schwarzen Block zu viele Vermummte mitliefen.
Auch als vorn im Schwarzen Block viele ihre Vermummung bis unters Kinn runterzogen, durfte die Demo nicht starten. Begründung: Hinten waren immer noch Vermummte. Die Polizei versuchte dann, den Schwarzen Block vom Rest der Demonstranten abzutrennen.
Die Situation eskalierte, es kam zu Panik-Reaktionen bei friedlichen Demonstranten und Zusammenstößen zwischen Polizei und Schwarzem Block. Die Polizeiführung erntete für diese harte Linie von vielen Seiten Kritik. Trotzdem bleibt Olaf Scholz dabei, es habe keine Taktikfehler in der Polizeiführung gegeben.
Der Bürgermeister wies im NDR-Interview zudem Vorwürfe zurück, die Polizei sei teils mit brutaler Härte vorgegangen: „Polizeigewalt hat es nicht gegeben“, so Scholz. Derzeit laufen laut Innenbehörde 35 Ermittlungsverfahren gegen Polizeibeamte im Rahmen von G20. In 27 Fällen geht es um den Verdacht der Körperverletzung im Amt. Die Innenbehörde wurde von Pistorius’ Äußerungen gestern kalt erwischt und wollte sich nicht dazu äußern.