Jubel, Trubel, Einsamkeit
So quirlig die Städte in der Toskana sind, so abgeschieden können die Dörfer sein
Die Piazza del Campo im Herzen von Siena ist kein Platz mehr. Verschwunden ist die Weite, die Großzügigkeit. Auf dem Jahrhunderte alten Pflaster wurde eine Rennbahn aus Sand und Tuff angelegt. Vor dem Palazzo Pubblico aus dem 13. Jahrhundert sind Tribünen aufgebaut, die die Bahn umrunden und die Fassaden bis zum zweiten Stock verdecken. Die Piazza del Campo ist zur Arena geworden für das härteste Pferderennen der Welt: den Palio.
Zwei Mal im Jahr, am 2. Juli und am 16. August, findet das Spektakel statt, bei dem die 17 Stadtteile von Siena ihre traditionellen Rivalitäten austragen. Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes auf dem Rücken der Pferde. Drei Mal müssen die Tiere den engen, 300 Meter langen Rundkurs absolvieren, angefeuert von Tausenden Zuschauern. Nicht einmal zwei Minuten dauert das Rennen, bei dem alle Mittel erlaubt sind. Am Ende feiern Sieger und Besiegte den Palio mit Umzügen und einem Festmahl bis in die Nacht.
Nicht, dass es nach dem Palio still würde in Siena. Aber die Hitzigkeit ebbt ab und die architektonischen Schönheiten der toskanischen Stadt bekommen wieder die Aufmerksamkeit, die sie verdienen. Der Dom zum Beispiel. Eingebettet in die Häuser der Altstadt, die sich einen Hügel hinaufziehen, thront er über allem. Schwarz-weiß gestreift weist sein Turm wie ein Zeigefinger gen Himmel.
Einem Bilderbuch gleicht der Fußboden im Inneren: Kunstvoll gravierte Marmorplatten und Intarsienarbeiten zeigen biblische Szenen und erzählen sagenhafte Geschichten. Ein weiterer Schatz ist die achteckige Kanzel: Sie ruht auf Säulen, die von Löwen getragen werden und ist reich verziert mit Reliefs und Statuen. Allein im Dom könnte man einen Tag verbringen und man hätte noch immer nicht alles gesehen.
Doch die Toskana ist reich an historischen Städten und das „Manhattan des Mittelalters“ist nur eine Autostunde von Siena entfernt. Nah genug, um San Gimignano noch am selben Tag einen Besuch abzustatten. Schon von weitem sind die Geschlechtertürme, die der Kleinstadt den Beinamen gaben, zu sehen. Vor 700 Jahren massiv und schnörkellos gebaut, dominieren sie bis heute die Silhouette von San Gimignano. Stattliche 54 Meter misst der höchste Turm, der Torre Grossa aus dem Jahr 1311. Die Protztürme, anderswo in Italien sind nur noch Stümpfe von ihnen übrig, gehören heute zum Weltkulturerbe.
Vor der Porta San Giovanni aus dem 13. Jahrhundert drängeln sich die Touristen. Sie wollen die Via San Giovanni entlangschlendern, in der Bar Firenze einen Espresso trinken und Panforte kosten, einen süßen Kuchen mit Mandeln und Trockenfrüchten. Manche verharren vor dem Museo della Tortura und überlegen, ob sie sich das Foltermuseum zumuten oder doch gleich weiter zur Piazza della Cisterna gehen sollen. Star des Platzes ist Sergio Dondoli. Vor seiner Gelateria ist das Gewusel groß. Dondoli mischte schon Brombeeren und Lavendel, Gorgonzola und Walnüsse ins Eis, als das noch nicht modern war.
So quirlig die Städte in Italien sind, so einsam können die Dörfer sein. 1 500 verlassene Dörfer hat Google Earth in ganz Italien ausgemacht. Längst gehen die Gemeinden dazu über, ganze Ortschaften zu verkaufen – oft zu Spottpreisen. Castelfalfi in der Toskana ist ein solches Dorf. Seit 1965 wechselte es mehrmals seine Besitzer, bis es die TUI vor zehn Jahren kaufte.
Ein echtes Dorf zum Ferienresort zu machen, war die Idee des Unternehmens. Inzwischen ist eine alte Tabakfabrik in das charmante Boutiquehotel „La Tabacca-
Wie ein Zeigefinger ragt der Turm des Doms gen Himmel.
ia“verwandelt worden. Erst vor kurzem wurde in dessen Nachbarschaft das 5-Sterne-Hotel „Il Castelfalfi“eröffnet.
Es entstanden eine Trattoria, eine Ladenzeile mit kleinen Geschäften und in die mittelalterliche Burg zog das Spezialitätenrestaurant La Rocca ein. Die einst verfallenen Gehöfte wurden restauriert und in luxuriöse Golfvillen und Landhäuser umgebaut. Mit 1 100 Hektar ist das Landgut, zu dem auch Weinberge und Olivenhaine gehören, groß genug für Radtouren, Reitausflüge und ausgedehnte Spaziergänge.
Castelfalfi ist ein Refugium für Urlauber, die die Abgeschiedenheit lieben, den Blick über die Landschaft. Und das Beste: Florenz, Siena, Lucca und Pisa sind nicht weit.