Wo die Liebe zur Umwelt lebensgefährlich ist
Im Jahr 2016 wurden 200 Aktivisten getötet. Die meisten in Lateinamerika
Rio de Janairo – Wer sich gegen Wilderei, illegalen Holzeinschlag oder Bergbau einsetzt, muss in vielen Teilen der Welt um Leib und Leben fürchten. Vor allem Lateinamerika ist ein gefährliches Pflaster für Aktivisten.
„Sie bedrohen dich, damit du die Klappe hältst. Aber ich kann nicht schweigen angesichts dessen, was meinem Volk zustößt. Wir kämpfen um unser Land, unser Wasser unser Leben“, sagt Jakeline Romero. Die kolumbianische Indio-Führerin engagiert sich gegen El Cerrejón, den größten Kohletagebau Lateinamerikas. Sie weist auf Wassermangel und die Vertreibung der Anwohner hin. Seit Jahren wird sie deshalb bedroht und eingeschüchtert.
Im vergangenen Jahr wurden mindestens 200 Umweltschützer, Landaktivisten und Wildhüter getötet. Die gefährlichste Region war Lateinamerika, mit Brasilien und Kolumbien an der Spitze, wie aus einem Bericht der Organisation Global Witness hervorgeht. Die meisten Taten stehen im Zusammenhang mit dem Widerstand gegen Bergbau- und Ölprojekte, gefolgt von illegalem Holzeinschlag, Landwirtschaft und Wilderei. In der Demokratischen Republik Kongo beispielsweise wurden im vergangenen Jahr neun Wildhüter getötet.
Die Verbrechen werden häufig nicht aufgeklärt. Laut Global Witness waren für die Angriffe auf Umweltschützer vor allem paramilitärische Gruppen, Polizei, Großgrundbesitzer, private Sicherheitsfirmen und Wilderer verantwortlich. „Mutige Aktivisten werden getötet, angegriffen und kriminalisiert von jenen, die sie eigentlich schützen sollten“, sagt Ben Leather von Global Witness.
In Kolumbien hat nach einem halben Jahrhundert die linke Farc-Guerilla die Waffen niedergelegt, die Wirtschaft boomt. Gleichzeitig stieg die Zahl der getöteten Umweltaktivisten um 42 Prozent auf 37. Während Kleinbauern und indigene Gruppen ihre bislang von den Farc besetzte Ländereien zurückfordern, wittern auch paramilitärische Gruppen und Unternehmen ihre Chance, die Gebiete unter ihre Kontrolle zu bringen.
Im Dezember erhielt die Aktivistin Jakeline Romero eine Nachricht: „Deine Töchter sind sehr hübsch. Selbst deine Mutter könnte verschwinden, wenn du nicht aufhörst zu reden.“Die Indio-Frau vom Volk der Wayúu hatte immer wieder ihre Stimme erhoben: gegen Umweltverschmutzung, Vertreibung, die Umleitung von Flüssen rund um den Tagebau El Cerrejón. Die Mine wird von den Konzernen Anglo-American, BHP Billiton und Glencore betrieben. 32,4 Millionen Tonnen Steinkohle wurden allein 2016 gefördert. Ein Teil davon wird auch in deutschen Kraftwerken verfeuert.
Der Bergbau hat die Region im Department La Guajira in eine Mondlandschaft verwandelt. Überall liegt Kohlestaub, das Trinkwasser ist häufig verschmutzt. Die Betreiber hingegen verweisen auf die hohen Umweltstandards, Aufforstungsprojekte und Hilfsprogramme für die Dörfer.
Aktivistin Romero lässt sich davon nicht blenden: „Das Volk der Wayúu zahlt mit seinem Leben. Wir bezahlen mit unserer Kultur. Wir sehen uns der Bedrohung gegenüber, ausgelöscht zu werden. Nur weil wir das kleine Stück Land verteidigen, das uns einst genug zu essen gab.“