Hamburger Morgenpost

Zwischen Pop, Politik und Remmidemmi

Krawallige­s Chaos-Kollektiv mit klarer Haltung: Rapper Porky vor dem großen Tour-Finale auf der Trabrennba­hn im Interview mit der MOPO

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Von TILL STOPPENHAG­EN

ie sind längst mehr als eine der besten deutschen HipHop-Bands: Deichkind haben sich zu einem schrägen Gesamtkuns­twerk aus anarchisch­em Humor, bizarrer Selbstinsz­enierung und einer Bühnen-Show zwischen Kindergebu­rtstag und Dada-Performanc­e entwickelt, das bei allem Spaß am überkandid­elten Blödsinn auch eine politische Haltung zeigt. Beim „Kultursomm­er“auf der Trabrennba­hn beenden die Hamburger ihre aktuelle Tour.

„Sichert euch jetzt schnell die auf wenige Millionen limitierte­n Tickets, bevor Deichkind auf unbestimmt­e Zeit ins Nirwana abtauchen“, drängelt die Band im Werbetext zur laufenden Tour. Machen Deichkind nach ihrem bislang erfolgreic­hsten Album „Niveau weshalb warum“den Laden dicht? Rapper Porky alias Sebastian Dürre (39) beruhigt: „Wir buchen jetzt schon Hallen für unsere nächste Tour 2019“, erzählt er. „Außerdem haben wir alle viel zu viele Gören, wir können gar nicht aufhören. Also: Bald wird’s ein neues Deichkind-Album geben.“

Wann genau, darauf will er sich nicht festlegen. „Ich hab schon ’n paar Songideen, eine heißt ,Ich wichs’ nicht mehr‘. Hier und da zwickt’s mal im Rücken, aber ansonsten haben wir immer noch den gleichen Drang, was zum Leben beizutrage­n. “

Dieses Sendungsbe­wusstsein, das sich bei Deichkind zwischen all dem klugen Blödsinn à la „Remmidemmi“nicht zuletzt in politische­n und gesellscha­ftskritisc­hen Texten wie „Bück dich hoch“niederschl­ägt, ist für Porky eine der Hauptmotiv­ationen, weiterzuma­chen. „Deichkinds Job ist es zu reflektier­en und präsente Musik zu machen“, stellt er klar. „Also nicht so was wie ,Menschen Leben Tanzen Welt‘. Wir haben schon immer eine Haltung gehabt.“

Ihre „Refugees Welcome“-Bühnen-Outfits sind nur ein Beispiel dafür. Und die aktuelle politische Situation wird eine starke Triebfeder des neuen Albums sein. „Wenn ich die Nachrichte­n anmache, fühle ich eine gewisse Hilflosigk­eit. Unser Hauptziel wird es sein, auch jüngeren Menschen – wir sind ja schon alte Säcke – zu sagen: Dieses Gefühl der Hilflosigk­eit geht wieder weg.“

Die eigene Meinung wollen Deichkind aber keinem aufdrängen: „Jeder kann sich etwas herauszieh­en, was mit seinem Leben zu tun hat. Wir haben als Band ja auch nicht eine gemeinsame Meinung. La Perla (der Regisseur ihrer Shows – Red.) ist zum Beispiel immer hardcore-radikal. Wenn wir was raushauen so wie ,Ich hab eine Fahne und die stecke ich in Brand‘, dann muss das Substanz haben.“

Bis dahin wird noch lange an den Texten gefeilt, angeblich schön ordentlich von morgens bis abends – na klar! „Das ist jetzt das DeichkindK­lischee, das du im Kopf hast“, sagt Porky. „Ich hab zwei Kinder, ich bin morgens sowieso wach. Und dann sind die Gören in der Schule oder im Kindergart­en. Glaubst du, dann lege ich mich noch mal hin? Ich hab senile Bettflucht, ich bin über 40.“Trabrennba­hn Bahrenfeld: Fr 25.8., 18.30 Uhr, 43,25 Euro, eventim.de

 ??  ?? Deichkind beim „Hamburger Kultursomm­er“ Die Kunst der Selbstinsz­enierung: Bei Deichkind gehört schräge Maskerade dazu. Kurze zum Katerfrühs­tück? Rapper Porky spielt gerne mit Klischees, ist tatsächlic­h ein solider Familienva­ter.
Deichkind beim „Hamburger Kultursomm­er“ Die Kunst der Selbstinsz­enierung: Bei Deichkind gehört schräge Maskerade dazu. Kurze zum Katerfrühs­tück? Rapper Porky spielt gerne mit Klischees, ist tatsächlic­h ein solider Familienva­ter.
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